Verfasser/in der Frage

04.04.2013 20:29:33

Sehr geehrter Herr Thielen,

als erstes möchte ich mich bedanken, dass Sie sich Bürgern für den fairen und öffentlichen Dialog zur Verfügung stellen und freue mich vorab schon auf Ihre Antwort.

Die Wirkung von Entwicklungshilfe ist schwer messbar und nachvollziehbar für die Staaten, die sie leisten. Ein großer Anteil verpufft, bzw. verschwindet auf dem Weg zu den Menschen, die sie bräuchten und für die sie eigentlich gedacht ist.
Social Entrepreneurship funktioniert primär in kleinen Gemeinden, also eher im Mikrokosmos, dafür aber nachvollziehbar. Wäre es da nicht sinnvoller, Social Entrepreneurship und damit die Gründung von Social Enterprises und NGOs gezielt durch finanzielle Mittel zu fördern und zu unterstützen? Auf diese Weise wird die Chance geboten, dass sich die positive Wirkung dieser Organisationen langsam, aber dafür nachhaltig ausbreitet und so langfristig und wirksam geholfen werden kann. Und damit einhergehend: Wie rechtfertigt die Politik weiterhin die Zahlung von solch großen Summen an Entwicklungshilfen, wenn sich scheinbar nichts ändert? Wird die Wirkung der gezahlten Gelder überhaupt überprüft? Oder ist es -provokativ formuliert- einfacher so sein schlechtes Gewissen gegenüber der Dritten Welt zu beruhigen, da die Unterstützung von NGOs und die Förderung von Social Enterprise Neugründungen eines größeren bürokratischen Aufwands bedarf?

Mit freundlichen Grüßen aus Koblenz,
Andreas Junga

30.05.2013 16:36:28

Sehr geehrter Herr Junga,

die Frage, ob und wie die Projekte der Entwicklungszusammenarbeit wirken, beschäftigt die Entwicklungspolitik schon seit vielen Jahren. Schließlich will man mit den Entwicklungsprojekten ja nicht nur „Ziele erreichen“, sondern „Wirkung erzeugen“. Dass das nicht unbedingt immer dasselbe ist, hat man inzwischen gelernt.

Wir verfügen heute über ein großes Instrumentarium zur Feststellung von Wirkungen, wobei die „Messung“ je nach Einsatzbereich recht schwierig werden kann: Die Erhöhung von Getreideerträgen ist sicher einfacher zu messen als die Wirkung von politischen Bildungsmaßnahmen. Inzwischen beschäftigen sich Lehrstühle an Universitäten mit den methodischen Fragen der Evaluation, und gerade wurde das Deutsche Evaluierungsinstitut für Entwicklungszusammenarbeit (DEval) gegründet. Das zeigt, dass in der deutschen Entwicklungspolitik der kritische Blick auf die Wirkungen an Bedeutung gewonnen hat. Unabhängig davon gibt es in vielen Partnerländern unserer Entwicklungszusammenarbeit, etwa in Afrika, eine wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte über die Frage, wo Entwicklungszusammenarbeit positiv wirkt und wo sie die Entfaltung eigener Kräfte möglicherweise hemmt.

Dass es in dem auch institutionell sehr breit aufgestellten Feld der Entwicklungszusammenarbeit sowohl Licht als auch Schatten gegeben hat und gibt, dass es manchmal auch zu ungeplanten und unerwarteten „Wirkungen“ kommen kann, ist richtig. Schließlich haben wir es mit einer großen – auch kulturellen – Vielfalt in unseren Partnerländern zu tun: Was in dem einen Land hervorragend funktioniert, kann in einem anderen Land grandios scheitern.

In der deutschen Entwicklungspolitik ist wegen der Einsicht in die Bedeutung der Rahmenbedingungen in den Partnerländern das Feld der „Good Governance“ als Gelingensbedingung in den vergangenen Jahren stärker gewichtet worden. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Institutionen der Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Arbeit gerückt. Tatsächlich arbeiten gerade die politischen Stiftungen schon lange mit einer breiten Palette zivilgesellschaftlicher Organisationen zusammen, darunter selbstverständlich auch mit NGOs, die man dem Bereich Social Entrepreneurship zuordnen kann. Aus langjähriger Erfahrung wissen wir inzwischen aber, dass man auch hier bei der Auswahl seiner Partner sehr genau hinschauen muss: Nicht jede NGO arbeitet automatisch „wirksam“, auch hier gibt es inzwischen eine lebhafte Konkurrenz – nicht zuletzt um Fördermittel.

Eine Bemerkung möchte ich mir noch zu den von Ihnen angedeuteten „großen Summen an Entwicklungshilfe“ erlauben. Es gibt eine international vereinbarte Zielgröße von 0,7 % des Bruttonationaleinkommens, die ein Industrieland in den Bereich Entwicklungspolitik einbringen soll. Davon sind die meisten Industrieländer (auch Deutschland) noch weit entfernt. Aber viel wichtiger als die Erreichung einer Zahl ist, dass die Mittel so eingesetzt werden, dass sie den Menschen auch wirklich zugute kommen. Und da kann Social Entrepreneurship durchaus eine wichtige Rolle spielen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Thielen

Adressat/in der Frage

Michael Thielen

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
Generalsekretär

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