Verfasser/in der Frage

04.02.2014 09:51:30

Liebe Frau Jakobi, vielen Dank, dass Sie hier bei managerfragen.org Fragen beantworten und sich für dieses öffentliche Interview zur Verfügung gestellt haben. Meine Fragen drehen sich rund um die „Frauenquote“ und „Vereinbarkeit von Karriere und Familie“. In den Medien sind diese Themen ja Dauerbrenner. Fange ich mit der „Frauenquote“ an. Laut Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat sich der Trend zu mehr Frauen in Spitzengremien 2013 insgesamt fortgesetzt, allerdings in äußerst geringem Ausmaß: In den Aufsichtsräten der gemessen am Umsatz 200 größten Unternehmen des Landes stieg der Frauenanteil gegenüber 2012 um etwa zwei Prozentpunkte auf gut 15 Prozent, in den Vorständen stagnierte er hingegen nahezu bei gut vier Prozent. Liebe Frau Jakobi, Sie selbst wurden ja in einem Beitrag im WDR-Fernsehen „Aktuelle Stunde“ im März 2011 über diese Themen in Ihrem Unternehmen interviewt.

Wie sehen Sie das: Ist die Einführung der Frauenquote überhaupt ein geeigneter Ansatz, um auch Frauen, die Vereinbarkeit von Karriere und Familie leben wollen, zu motivieren und ggf. aufgrund einer möglicherweise befürchteten Überforderung zu ermutigen, vermehrt Führungspositionen zu übernehmen? Oder gibt es vielleicht noch andere Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen? Ich freue mich auf Ihre Antwort. Gruß. Nicola Hengst-Gohlke

21.02.2014 17:48:51

Sehr geehrte Frau Hengst-Gohlke,

vielen Dank für Ihre Frage, die sicherlich das allgemeine Stimmungsbild über die Frauenquoten-Diskussion sehr gut abbildet.
Grundsätzlich ist eine Erhöhung des Frauenanteils in den Steuerungsgremien und Führungspositionen von Wirtschafts-Unternehmen absolut erstrebenswert, weil die Erfahrung doch zeigt, dass das zu Perspektivenwechsel und andersartigen Herangehensweisen führt. Gerade in Unternehmen, die sich im Umbruch und Transformationsprozessen befinden, sind diese Qualitäten gefordert. Wie jedoch kann man das erreichen? Diese Frage stelle ich mir, seitdem ich selber Kinder habe aus zweierlei Perspektiven: Als HR-Managerin und als Mutter von 2 Kindern.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meistens die Mitarbeiterinnen auch nach den Elternzeiten weiterhin in Führungspositionen eingesetzt wurden, die übermäßiges Engagement gezeigt haben und sich vor der Elternzeit bereits auf Managerpositionen entwickelt hatten. Ich habe es sehr selten beobachten können, dass Mitarbeiterinnen mit Kindern auf Führungspositionen befördert wurden, wenn sie nicht bereits vorher in so einer Rolle tätig waren. Also fängt es doch eigentlich dort an: ganz vorne in der Entwicklungsplanung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, weil sich auch die Männer in immer größerem Umfange der Kinderbetreuung widmen möchten. Hier müssen die Unternehmen frühzeitig die Rahmenbedingungen schaffen, um in den nächsten Jahren höhere Anteile von Frauen in Führungspositionen zu haben. Die Firmen sollten daran gemessen werden, welche Förderprogramme mit welchem Ergebnis sie zur Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufsetzen. Und das gilt- wie gesagt- nicht nur für Frauen.
Eine Frauenquote in der geplanten Form anzusetzen halte ich für wenig zielführend: wo sollen die Frauen denn auf einmal herkommen? Und warum sollten Frauen in den Positionen dann ein Symbol von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein? Die meisten Frauen von heute in Führungspositionen haben überhaupt keine Kinder. Hier besteht das Risiko, dass entweder Ämterhäufungen auf Aufsichtsratsebene auftreten oder die ‚Quotenfrauen‘ trotz vielleicht nicht wirklich passender Qualifikation in Alibi-Funktionen gehoben werden. Frauen, die es ohne die Quote geschafft haben, landen dann in der gleichen Schublade, was nun alles andere als förderlich ist.
Natürlich führe ich auch viele Gespräche mit Mitarbeiterinnen, die sich mit dem Gedanken der Familiengründung tragen. Viele Konzerne und Großunternehmen wie auch die METRO haben es ja wirklich geschafft mit Betriebskindergärten, geförderten Elterninitiativen und flexiblen Arbeitszeiten die Kinderbetreuung für beide Seiten wunderbar zu unterstützen. Aber selbst mit diesen Rahmenbedingungen sind gesellschaftliche Vorstellungen und Einstellungen von Kollegen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz noch lange nicht verändert, was vielen Mitarbeiterinnen große Sorgen macht und Unsicherheit verbreitet. ‚Werde ich es schaffen, allen Anforderungen gerecht zu werden‘ ist eine der meist gestellten Fragen. Und genau davon muss man sich als erstes verabschieden: ’nein, man kann es nicht allen recht machen‘. Es muss von Beginn an mit dem Vorgesetzten geklärt werden, in welchem Rahmen was zu leisten ist, was erwartet werden kann und was eben auch nicht. Sonst ist das Risiko der Überforderung extrem hoch.
Aber genau dort müssen wir ansetzen: stufenweise Einstiege nach der Elternzeit, oder idealerweise bereits in Teilzeit während der Elternzeit. Förderprogramme, die halbtags stattfinden, soziale Netzwerke, in denen sich die interessierten Mitarbeiter/innen austauschen und gegenseitig helfen können , Mentor’innen‘-Programm . Stufenweise Aufbau von Mitarbeiterverantwortung und nicht gleich die Übernahme einer ganzen Abteilung. Jobsharing inhaltlicher Natur und nicht auf die Arbeitszeit bezogen. Schließlich enden auch Betriebskindergärten und OGATA’s irgendwann zwischen 16 und 17 Uhr, so dass die Nachmittage nur begrenzt ‚verplanbar‘ sind. Außerdem haben alle Eltern das Recht, ihre Kinder auch in ihrer Entwicklung zu begleiten und sie nicht nur kurz vor dem Schlafengehen zu sehen. Und ich bin davon überzeugt, dass Kindererziehung die beste Management-Schule ist. Alles ist sowieso nur umsetzbar, wenn man ein funktionierendes Umfeld hat und vor allen Dingen einen Partner, der seine Rolle in der Kindererziehung genauso ernst nimmt und ebenso in einem flexiblen Arbeitsumfeld tätig ist. Also müssen hier nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer beachtet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Jakobi

Adressat/in der Frage

Bettina Jakobi

METRO AG
Director HR Operations Director HR Operations

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