Sehr geehrter Herr Dr. Koch,
Sie waren zuletzt freigestellter Betriebsratsvorsitzender bei Merz Pharma in Frankfurt. Was sind, aus Ihrer Sicht als Betriebsrat, Ihre größten Schnittstellenthemen mit Führung?
Sehr geehrte Frau Kolodzyck,
Unternehmenskultur und Betriebsklima hängen sehr stark mit dem praktizierten Führungsstil zusammen. Ist dieser z.B. wertschätzend oder rein leistungsorientiert? An dieser Stelle können viele Konflikte für Beschäftigte im Team und mit ihren Vorgesetzten entstehen. Im Interesse des gesamten Unternehmens wie der einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist hier der Betriebsrat zur positiven Mitgestaltung der Verhältnisse im Betrieb und am Arbeitsplatz gefordert.
Wie können Betriebsräte Führungskräfte unterstützen?
Betriebsräte können auf zwei Ebenen unterstützen:
– In Vereinbarungen mit dem Unternehmen können Weiterbildungen für Führungskräfte etabliert werden, vom Erwerb umfassender Management- und Führungskenntnisse bis zum Thema „Gesundes Führen“
– Führungskräfte sind selbst auch Beschäftigte und sollten vom Betriebsrat wie alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihren Bedarfen und Wünschen gegenüber dem Unternehmen unterstützt werden.
Ihr besonderer Arbeitsschwerpunkt als Betriebsratsvorsitzender war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Gestaltung eines familienfreundlichen Unternehmens. Was heißt „gute Führung“, wenn wir von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen? Wie äußert sich das in Ihrem Unternehmen?
Gute Führung beinhaltet generell eine ganzheitliche Sicht auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, d.h. nicht nur die betriebliche Leistungsseite im Blick zu haben, sondern auch die individuelle Arbeitsbelastung, Gesundheitssituation, familiäre Verpflichtungen, ehrenamtliche Aufgaben etc. – also den ganzen beruflichen und privaten Menschen. Auf das Thema Vereinbarkeit bezogen heißt das: Vorgesetzte sollten sich in den Angeboten der Firma hierzu auskennen und die Nutzung dieser Angebote aktiv kommunizieren und unterstützen.
Wie setzen Sie das praktisch um und was sind die Herausforderungen?
Auf der Ebene der Führungskräfte kann dies beispielsweise durch die Etablierung eines Weiterbildungsmoduls zum Thema „Gesundes Führen“ geschehen, in dem auf alle vorgenannten Aspekte eingegangen wird. Eine Herausforderung ist immer, die Teilnahme für die Führungskräfte möglichst verpflichtend und die Umsetzung der Inhalte verbindlich zu machen. Die Erfahrung zeigt, dass gerade die Führungskräfte mit dem größten Weiterbildungsbedarf sich am wenigsten auf eine solche Unterstützung einlassen.
Welche Tipps geben Sie anderen Unternehmen?
Wichtige Voraussetzung für alle betrieblichen Verbesserungen und Erfolge rund um „Gesunde Führung“, Vereinbarkeit etc. ist ein tragfähiger Dialog mit der Unternehmensleitung und ein kooperatives und vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Betriebsparteien. Dabei sollte der Betriebsrat durchaus in seiner eigenen Rolle die Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen und Strategien im Sinne der Beschäftigten konsequent vorantreiben. Zur Unterstützung des Prozesses sollten wichtige Führungskräfte und die Personalabteilung frühzeitig als Verbündete mit ins Boot geholt werden.
Sehr geehrter Herr Koch, wir danken Ihnen für dieses Interview!