Verfasser/in der Frage

18.10.2015 22:53:17

Sehr geehrter Herr Röber,

Im Zuge des Führungskräfte-Specials von managerfragen und experteer würde ich Ihnen gerne einige Fragen zu moderner Führung stellen.
Was denken Sie, welchen Anforderungen müssen Führungskräfte aus Ihrer Sicht heutzutage gerecht werden?
Ich freue mich bereits auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,
Susanne Schloßbauer

18.10.2015 22:55:19

Sehr geehrte Frau Schlossbauer,

hier steht für mich die soziale Kompetenz an erster Stelle. Wer es schafft, für ein gutes Klima in seinem Verantwortungsbereich zu sorgen, hat schon halb gewonnen. Denn daraus ergeben sich zahlreiche positive Folgeeffekte. Fühlen sich Mitarbeiter wertgeschätzt (Feedbackkultur), gehen sie gerne zur Arbeit, ganz ohne morgendlichen Kloß im Hals und ohne den dauernden Blick auf die Uhr. Wer gerne seine Arbeit verrichtet, macht weniger Fehler. Erfolg wiederum motiviert, und wenn es dafür auch ein Lob der Führungskraft gibt, wird dieser Effekt deutlich verstärkt. Das ist der Kommunikation förderlich und erweckt das Gefühl der Wertschätzung.

Dann kann eigentlich nicht mehr viel passieren.

Allerdings steht diesem Ansatz nicht selten die Realität im Unternehmen entgegen. Die Führungskraft muss nämlich auch in die Lage versetzt werden, so zu handeln. So muss das Unternehmen dafür sorgen, dass einer Führungskraft zum einen die Zeit für die vielfältigen Führungsaufgaben zur Verfügung steht und interessierten Mitarbeitern Entwicklungsperspektiven aufzeigen kann. Und nicht zuletzt muss das Arbeitsumfeld so gestaltet sein, dass die durch den Vorgesetzten generierte intrinsische Motivation nicht systematisch durch einen ungeeignete Umgebung wieder zunichte gemacht wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Sascha Röber

18.10.2015 22:58:48

Danke für Ihre ausführliche Antwort.
Welche Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht für die moderne Führungskraft
unerlässlich?

18.10.2015 23:01:30

Vereinfachend gesagt, ist der Mix aus fachlicher und sozialer Kompetenz entscheidend. Die Übergänge sind diesbezüglich fließend und ändern sich mit jeder Situation. Eine Führungskraft sollte neben der Kenntnis einschlägiger Managementtechniken ein umfassendes Wissen seines Fachbereichs haben. Dabei zählt oft die Breite und weniger die Tiefe. Ein Manager muss sicherlich nicht der Obersachbearbeiter sein, aber seine Erfahrung sollte ihn in die Lage versetzen, die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter so genau einschätzen zu können, dass er diese im Sinne einer optimalen Lösung entsprechend differenziert einsetzt. Diese verschiedenen Fähigkeiten genau kennenzulernen, setzt allerdings wiederum soziale Kompetenz voraus, denn nur mit dem direkten Draht zum Mitarbeiter wird der Manager die Stärken und Schwächen seiner Leute im Laufe der Zeit erkennen können.

18.10.2015 23:19:17

Wie haben sich die Anforderungen in den letzten 20 Jahren aus Ihrer Sicht verändert und warum?

18.10.2015 23:21:25

Die Antwort hierauf möchte ich in zwei Kategorien einteilen, nämlich in eine endogene und eine exogene.

Es ist unzweifelhaft so, dass sich die exogenen Faktoren, die auf Unternehmen und deren Mitarbeiter wirken, heute deutlich schneller verändern als noch vor 15 Jahren, als ich meine erste Führungsposition antrat. Die Kommunikationsdichte ist seitdem massiv gestiegen, die Breite der Aufgaben hat sich damit entsprechend erhöht, und insgesamt wird den Mitarbeitern eine deutlich höhere Stressresistenz abverlangt. Umstrukturierungen gehören zum Arbeitsalltag genauso wie neue Technologien und deren Möglichkeiten. Mit diesen gewachsenen Anforderungen klarzukommen, ist Grundvoraussetzung für das Bewältigen aller beruflichen Aufgaben.

Die endogenen Anforderungen jedoch haben sich nach meinem Dafürhalten nicht verändert. Es hilft weder dem Manager noch dem Mitarbeiter, immer die allerneuesten Managementtechniken auszuprobieren, bis diese wieder von noch neueren überholt erscheinen. Wer vor 20 Jahren ein erfolgreicher Manager sein wollte, musste schon damals ein paar Grundregeln des menschlichen Miteinanders befolgen. Nachwuchsmanagern würde ich deshalb folgende Dinge ans Herz legen:

1. *Aufrichtigkeit*. Sagen Sie Ihren Mitarbeitern, was Sache ist. Diese finden es ohnehin heraus. Besser also, sie erfahren es von Ihnen statt vom Flurfunk, der Personalabteilung oder aus der Presse.

2. *Integrität*. Befragen Sie ständig Ihr eigenes Wertesystem und handeln Sie danach. Stehen Sie zu Ihren Werten und kommunizieren Sie diese. So erzeugen Sie Kontinuität in Ihrer Führung, und das macht Sie berechenbar.

3. *Berechenbarkeit*. Ersparen Sie Ihren Mitarbeitern das Gefühl, nicht zu wissen, woran sie mit Ihnen sind. Das senkt den Stresspegel, und Sie werden als eine einzige Person wahrgenommen und nicht als zwei oder drei, von denen man nie weiß, welche davon heute ins Büro kommt.

4. *Verlässlichkeit*. Wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben, dann führen Sie die sich daraus ergebenden Maßnahmen auch durch. Lavieren und Rumeiern sind schädlich fürs Betriebsklima und den Arbeitserfolg. Muss eine Entscheidung korrigiert werden, korrigieren Sie sie, aber erklären Sie auch, wie und warum sich die Welt geändert hat.

5. *Empathie*. Jeder Mensch hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Auch Ihre Mitarbeiter. Das hat Einfluss auf ihre Motivation und Leistungsfähigkeit. Wenn Sie es schaffen, mit Ihren Mitarbeitern in privaten Dingen über das Smalltalk-Stadium hinauszuwachsen und nach gewisser Zeit wissen, wie das dritte Kind von Frau X und der Hund von Herrn Y heißt, werden sich diese Ihnen gegenüber auch in beruflichen Zusammenhängen viel leichter öffnen. Echte empfundene Empathie schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist das sicherste Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

6. *Führung*. Man sagt heute oft Manager. Aber das deutsche Wort Führungskraft trifft es viel besser: Ihre Mitarbeiter erwarten eine klare Ansage von Ihnen. Gerade in Zeiten der Unsicherheit oder in Situationen, die zum ersten Mal auftreten, richten sich die Blicke auf Sie. Lernen Sie zu entscheiden, selbst wenn Sie nicht immer alles zu hundert Prozent und bis ins letzte Detail kennen und wissen. Und akzeptieren Sie dabei, dass Sie auch Entscheidungen treffen werden, die sich letztlich als falsch herausstellen.

Zum Abschluss kurz: Ich bin Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen und stets neugierig. Ich nutze sämtliche Möglichkeiten der digitalen Medien und begeistere mich sehr für den technischen Fortschritt. In sprachlicher Hinsicht jedoch bin ich eher konservativ und unterscheide gerne zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht. Wenn ich von Mitarbeitern spreche, meine ich selbstverständlich auch immer Mitarbeiterinnen und bei Managern selbstverständlich immer weibliche und männliche Führungskräfte gleichermaßen. Ich bin kein Freund des sozialen Konstruktivismus, Gendering ist mir ein (sprachlicher) Graus.

20.10.2015 11:44:40

Sehr geehrter Herr Röber,

herzlichen Dank für Ihre ausführlichen Antworten und die interessanten Einsichten in das Thema modernes Führungsverhalten!

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Schloßbauer

Adressat/in der Frage

Sascha Röber

Schön Klinik SE
Bereichsleiter Finanzmanagement

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