Verfasser/in der Frage

13.05.2013 22:28:59

Sehr geehrter Herr Hermanns,
Sie sind Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei Generali Deutschland und in dieser Funktion auch in mehreren Verbänden aktiv. Als Student des Nachhaltigkeitsmanagements habe ich mich immer gefragt, warum die „soziale“ Säule – anders als Umweltthemen – in Unternehmensdarstellungen und -berichten meist nur knapp und oberflächlich behandelt werden. Während im ökologischen Bereich detaillierte Angaben zu Emissionen, Schadstoffen, Abfallaufkommen, Ressourcenverbrauch etc. veröffentlicht werden, werden entsprechende Kennzahlen zur „sozialen Schadschöpfung“ unternehmerischen Handelns kaum ausgewiesen. Auch die Homepage von Generali listet unter Nachhaltigkeit -> Daten & Fakten detaillierte Umwelt- aber nur wenige und allgemeine Mitarbeiterkennzahlen. Sind Ihres Erachtens soziale Indikatoren – Krankentage, Ausbildungsstand, Gleichstellung, Korruptionsbekämpfung etc. – weniger relevant als ökologische, um die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens abzubilden, oder gibt es andere Gründe für diese „Schieflage“ in deutschen Nachhaltigkeitsberichten?
Des Weiteren stehen ebenfalls in den meisten Nachhaltigkeitsberichten finanzielle und ökologische / soziale Kennzahlen unverbunden nebeneinander, meist in separaten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten ohne Bezug zueinander. Was hindert einen Konzern wie beispielsweise Generali, aber auch andere, daran, die schon seit langem geforderte „integrierte Berichterstattung“ einzuführen, und diese bisher getrennten Bereiche über verbundene Kennzahlen wie beispielsweise Öko-Effizienz / Sozio-Effizienz oder Öko-Effektivität / Sozio-Effektivität zu verknüpfen? So hätten die interessierten Stakeholder – Kunden, Analysten und Öffentlichkeit – ein klares Bild vom Verhältnis zwischen Wert- und Schadschöpfungsleistung der Unternehmens in vergangenen Perioden.

17.05.2013 08:31:01

Sehr geehrter Herr Schulze-Quester,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.

Die Generali Deutschland Gruppe ist Teil der internationalen Generali Gruppe, der Assicurazioni Generali. Der jährliche Nachhaltigkeitsbericht der Assicurazioni Generali gibt gemäß dem international etablierten Standard der Global Reporting Initiative (GRI) Aufschluss über ihre Environmental Social Governance (ESG) Performance. Es werden zahlreiche soziale und Governance Informationen und Kennzahlen sowohl für die internationale Generali Gruppe als auch für die Ländergesellschaften bereitgestellt (u. a. Mitarbeiterzahlen, Managementebenen, Frauenquoten, Arbeitsvertragstypen, demografische Struktur, Weiterbildungsprogramme, Talent- und Gesundheitsmanagement, Work-Life-Balance, Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung). Die Generali Deutschland Gruppe veröffentlicht eine deutsche Zusammenfassung des internationalen Nachhaltigkeitsberichts.

Sämtliche Kennzahlen und Informationen für die Generali Deutschland Gruppe werden darüber hinaus kontinuierlich analysiert und ergänzt. Sie sind beispielsweise auf der Internetseite der Generali Deutschland Holding AG einzusehen (www.generali-deutschland.de/verantwortung). Es ist durchaus möglich, dass wir künftig das Informationsangebot für unsere Stakeholder um weitere Kennzahlen aus den Bereichen Soziales und Governance erweitern werden.

Zudem bündelt die Generali Deutschland Gruppe ihre bürgerschaftliche Verantwortung als wirtschaftendes Unternehmen im Generali Zukunftsfonds. Der Zukunftsfonds beschäftigt sich unter dem Leitbild „Der demografische Wandel – unsere gemeinsame Herausforderung“ seit 2008 mit den Chancen einer überalternden Gesellschaft und ist als Change-Manager, Vernetzer und Initiator im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements tätig.

Grundsätzlich und branchenübergreifend gilt, dass die nicht-finanzielle Berichterstattung eine vergleichsweise junge Disziplin ist, die in zahlreichen nationalen und internationalen Initiativen, Standards und Richtlinien definiert ist und stetig weiterentwickelt wird. Es ist davon auszugehen, dass es hier in den nächsten Jahren zu Konsolidierungen und Harmonisierungen kommen wird. An dieser Stelle seien beispielhaft genannt: die derzeitige Überarbeitung des GRI Standards, die Aktivitäten des International Integrated Reporting Committee (IIRC) zur integrierten Berichterstattung oder aber das Sustainability Accounting Standards Board (SASB),welches derzeit so genannte Materiality Maps für diverse Branchen erarbeitet.

Unternehmen sehen sich derzeit damit konfrontiert, einerseits den vielschichtigen Anforderungen des Kapitalmarktes, von Analysten, Nachhaltigkeitsindizes, -ratings, -rankings und weiteren Standards und Initiativen gerecht zu werden. Andererseits sind jedoch auch die Materialität der für das Kerngeschäft wesentlichen Aspekte und die Zusammenhänge zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen zu definieren und zu bewerten. Dabei ist es für Unternehmen von besonderer Bedeutung Bilanzierungsgrenzen in der gesamten Wertschöpfungskette zu definieren. Dies mag auf den ersten Ebenen noch unproblematisch sein. Je tiefer das Wertschöpfungslevel ist, desto schwieriger stellt sich diese Aufgabe dar.

Derzeit werden von verschiedenen Seiten Ansätze erarbeitet, um die integrierte Berichterstattung weiter voranzutreiben, die Nachhaltigkeitsperformance besser zu analysieren und somit die von Ihnen angesprochene Öko-Effizienz / Sozio-Effizienz Öko-Effektivität / Sozio-Effektivität zu verknüpfen. In diesem Zusammenhang sollte mit dem kürzlich veröffentlichten Richtlinienvorschlag „Offenlegung nicht-finanzieller Informationen und zu Diversity“ der EU-Kommission auch die Weiterentwicklung des regulativen Rahmens erwähnt werden. In all diesen Themen stehen wir jedoch erst am Beginn einer Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren weiter professionalisieren wird; auch und gerade im Hinblick auf die integrative Verknüpfung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten und ihre Wechselwirkung miteinander. Sie sehen also: Es ist noch eine Menge zu tun, jedoch sollte Nachhaltigkeit nie Selbstzweck sein, sondern immer von Vernunft und einer geeigneten Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten getragen werden. Da Sie Student des Fachbereichs Nachhaltigkeit sind, haben Sie vielleicht zukünftig die Gelegenheit, selbst an den Themen mitzuarbeiten und diese voranzutreiben.

Herzlichst Ihr

Michael Hermanns

22.05.2013 23:59:45

Sehr geehrter Herr Hermanns,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich stimme Ihnen zu, dass die nicht-finanzielle und insbesondere die soziale Berichterstattung noch in den Kinderschuhen steckt und der Vereinheitlichung und weiteren Vertiefung bedarf. Hierzu würde mich Ihre persönliche Meinung und Einschätzung der aktuellen Trends interessieren: Wenn Sie erwarten, dass es in den nächsten Jahren zu Konsolidierungen und Harmonisierungen bei den Nachhaltigkeits-Berichten kommen wird und sich diese in den nächsten Jahren weiter professionalisieren: Welche Rolle spielen große und mittelständische Unternehmen hierbei? In ihrer Antwort schreiben Sie, dass die sich entwickelnde Standards und Normen – Sie nennen GRI, IIRC, SASB und die Richtlinien der EU-Kommission – primär als zusätzliche Anforderungen verstanden werden, denen sich Unternehmen ausgesetzt sehen, auf die sie also zu reagieren haben. Eine solche Haltung erscheint mir passiv und abwehrend. Haben Unternehmen Ihrer Meinung nach einerseits ein Interesse, andererseits auch die Möglichkeit, gestaltend in den Prozess der Formulierung als auch der Umsetzung von Richtlinien einzugreifen? Wo liegen hier die Unterschiede zwischen „Global Playern“ wie z.B. der Assicurazioni Generali mit einem umfangreichen Nachhaltigkeitsprogramm, und KMU, die in Deutschland ja immer noch „freiwillig“ den größten Teil aller CSR-Maßnahmen umsetzen, sich aber häufig von komplizierten und aufwändigen Standards überfordert sehen? Würden Sie sagen, dass sich Sozial- und Umweltstandards, die in den genannten Gremien formuliert werden, eher in Richtung eines „Minimalkonsens“ bewegen, oder erwarten Sie, dass einzelne Unternehmen als Vorreiter diese als Chance sehen, um das Thema auch über politische Vorgaben hinaus weiter voranzutreiben?

Mit freundlichen Grüßen,
Marvin Schulze-Quester

27.05.2013 13:38:20

Sehr geehrter Herr Schulze-Quester,

vielen Dank für Ihre weitere Nachfrage. Ich finde es wichtig, dass sich die junge Generation intensiv mit diesen wichtigen zukunftsorientierten Fragen auseinander setzt.

Um Ihre Frage direkt zu beantworten: Nachhaltigkeit und somit die Übernahme von Verantwortung in der gesamten Wertschöpfungskette wird in Zukunft eine grundlegende Wettbewerbsanforderung für Unternehmen an den globalen Märkten sein. Wer in diesem Bereich seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, wird sich aus meiner Sicht bald Wettbewerbsnachteile einhandeln. Dies gilt gleichermaßen für Global Player, aber auch für KMU. Jedoch sind gerade viele mittelständische Unternehmen bereits seit vielen Jahren sehr nachhaltig ausgerichtet und übernehmen oftmals eine Vorreiterrolle – nicht als Selbstzweck, sondern zur Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Somit sollte nach meiner Ansicht die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens nicht nur nach Art und Umfang einer transparenten Berichterstattung bewertet werden, sondern vielmehr nach operativer Umsetzung und Exzellenz in der gesamten Wertschöpfungskette. Eine transparente Berichterstattung hängt zu einem Großteil von hierfür bereit gestellten Ressourcen ab. Dies fällt Global Playern naturgemäß leichter als kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Nach meiner Erfahrung gehen regulative Rahmenwerke zumeist als Konsensergebnis aus intensiven Dialogphasen mit allen interessierten gesellschaftlichen Gruppen (Stakeholdern) hervor. In diesem Zusammenhang sind Unternehmen beispielsweise über Branchenverbände oder sonstige Initiativen mit ihrer Stimme einer von vielen Stakeholdern. Wenn Sie konkret die Rolle der Unternehmen ansprechen, denke ich, dass viele Unternehmen bereits heute sehr viele positive Impulse in der Diskussion setzen und in vielen Dingen mit gutem Beispiel voran gehen. Nachhaltigkeit ist ein Entwicklungsprozess, der ständig veränderten Rahmenparametern unterliegen wird. Somit ist es insbesondere wichtig, dass sich alle gesellschaftlichen Akteure auf diesen Weg begeben, unabhängig davon wie viel Wegstrecke jeder einzelne bereits zurück gelegt hat.

Ich hoffe damit Ihre Fragen abschließend beantwortet zu haben.

Herzliche Grüße

Ihr
Michael Hermanns

Adressat/in der Frage

Michael Hermanns

Generali Deutschland Holding AG
Head of CSRLeiter Konzern-Nachhaltigkeitsmanagement

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