Verfasser/in der Frage

05.11.2012 01:38:28

Nutzer können heute im Internet der Bundeskanzlerin oder dem Bundespräsidenten direktes Feedback geben. Warum sträuben sich die Vorstände großer deutscher Unternehmen so gegen direkten Dialog mit dem Bürger?

05.11.2012 01:44:43

Direkter Dialog zwischen Managern und Bürgern steht zum großen Teil noch nicht auf der Agenda der Unternehmen. Wenn ein Manager oder Vorstand kommuniziert, dann meist über die klassischen Medien. Letztere haben eine wichtige Multiplikatorfunktion, aber eben auch keinen direkten Draht zum Bürger. Wenn es einen direkten Dialog gibt, dann bislang nur im kleinen Kreis und bei bestimmten Veranstaltungen. Entscheidend ist aber ein dauerhafter und offen geführter Dialog. Dafür benötigen Manager neue Medienkompetenz. Viele Manager sind bislang nicht in der Lage, effizient mit den Medien zu kommunizieren. Besonders Social Media Kompetenz spielt da noch überhaupt keine Rolle.

05.11.2012 01:45:31

Warum nicht?

05.11.2012 01:46:49

Oft fehlt in den Unternehmen das Grundverständnis dafür, wie wichtig und notwendig es ist, eine dauerhafte externe Kommunikation, auch über Social Media, zu etablieren. Voraussetzung dafür ist, dass ein Unternehmen auch intern im Enterprise 2.-0 Zeitalter angekommen ist. Denn auch die interne Kommunikation muss reif für einen solchen Wandel sein. Dort sollten Manager und Mitarbeiter bereits transparent, offen und dialogorientiert kommunizieren. Erst dann kann auch die externe Kommunikation routiniert und sicher ablaufen. Viele haben einfach noch Angst, diesen Schritt nach außen zu wagen.

05.11.2012 01:48:50

Ist diese Angst berechtigt?

05.11.2012 01:50:03

Nein, die Angst kommt daher, daß die meisten Manager ihre Hausaufgaben in Enterprise2.0 noch nicht gemacht haben. Wir sprechen schon seit etwa zehn Jahren über Web 2.0 und Social Media. Das ist nichts Neues mehr und viele Manager nutzen privat schon lange soziale Netzwerke. Von daher ist es aus meiner Perspektive eher fahrlässig, dass Unternehmen diese für ihr Business unzureichend nutzen. Es ist notwendig, dass ich mich als Manager mit den Sozialen Medien auseinandersetze. Das ist keine „Zauberei. Man sollte sich darüber klar sein, dass damit ein wirklicher Nutzen verbunden ist, sowohl in der internen als auch externen Kommunikation. Da müssen die Hausaufgaben aber noch gemacht werden.

05.11.2012 01:51:10

Aber alleine präsent zu sein, reicht nicht. Es geht doch auch um eine schnelle Reaktion.

05.11.2012 01:51:39

Das ist richtig. Dieser logisch nachvollziehbare Weg ist aber in vielen Unternehmen noch nicht so weit gereift. Es geht natürlich auch darum, diese Social Media Kanäle sauber zu bedienen, mit eigenen Ressourcen und Kompetenzen. Eine Facebook-Seite oder einen twitter Kanal einzurichten, dauert nur wenige Minuten. Das ist nur die Pflicht, noch keine Kür. Entscheidend aber ist, was auf dieser Seite passiert. Das ist auch bei den größeren Shitstorms der letzten Jahre zu beobachten: Ein großer Konzern hat erst kürzlich die leidvolle Erfahrung gemacht am Freitag Nachmittag eine Kundenbeschwerde zu vernachlässigen und den sich anbahnenden Shitstorm zu ignorieren. Am Montagmorgen warteten dann 6000 Protest-Kommentare und über 70.000 likes auf der facbook Seite des Unternehmens, die sich über das Wochenende angesammelt haben. Das Internet schläft nie, daran müssen sich die Strukturen in Unternehmen anpassen. Die Märkte sind dynamisch – Unternehmen bisher nicht. Ich bin überzeugt davon, dass wir inzwischen so viel Erfahrung haben, dass wir wissen, was wir tun müssen und das heute auch bewältigen können.

05.11.2012 01:52:23

Setzt denn ein erster Wandel durch junge Führungskräfte ein, die nachfolgen und sich schon mehr mit Sozialen Netzwerken auskennen?

05.11.2012 01:52:48

Es vollzieht sich langsam ein Wandel, aber das hat nicht unbedingt etwas mit den Führungskräften zu tun. Wir können feststellen, dass der Anspruch bei den jüngeren Generationen, die nach ihrer Ausbildung oder nach ihrem Universitätsabschluss in den Beruf einsteigen, ein anderer ist, was Web 2.0 angeht. Sie fragen danach und erwarten es im Unternehmensalltag. Aber natürlich ist das bislang nur eine kleine Gruppe junger Leader, die schon in den Führungsebenen der Unternehmen sitzt. Es gibt noch keine flächendeckende Führungskultur, die ich schon Leadership 2.0 nennen würde.

05.11.2012 01:53:29

Was muss denn eine Führungskraft 2.0 können?

05.11.2012 01:53:57

Sie muss erkannt haben, dass die private Nutzung der digitalen Medien mit der beruflichen Ebene verschmilzt und es eine große Relevanz gibt, diese Medien im Job anzuwenden. Das bedingt, Mitarbeiter heute früher und stärker in Entscheidungen miteinzubeziehen. Das klingt einfach, macht aber prozessual einen großen Unterschied. Denn letztlich heißt das für jeden Einzelnen, dass seine eigenen Entscheidungen Teil eines demokratischen Entscheidungsprozesses werden. Das bedeutet nicht, Hierarchien komplett abzubauen. Aber die Art und Weise, wie Manager Entscheidungen treffen, ändert sich. Sie wird transparenter und offener dadurch effizienter und innovativer. Das erfordert allerdings den Mut einer Führungskraft, sich antastbar zu machen.

05.11.2012 01:54:40

Ist die Angst vor sozialen Netzwerken also auch eine Angst vor Machtverlust

05.11.2012 01:55:09

Das Machtmotiv “command and control“ funktioniert im Social Web und in einer Enterprise2.0 nicht mehr. Das war in den letzten Jahrhunderten noch so. Aber heute nicht mehr. In der heutigen Komplexität und Dynamik der Märkte ist dieses Modell viel zu starr und statisch. Mittlerweile liegt die Kontrolle in der Öffnung. Das hat nichts mit Machtverlust zu tun. Macht wird jetzt anders definiert. Macht hat nicht alleine mit Funktionsbeschreibungen zu tun, sondern mit der Bestätigung durch die Community.

05.11.2012 01:55:47

Sollten sich dann Manager also auch Dialogplattformen wie managerfragen.org öffnen?

05.11.2012 01:56:15

Die Vorstände, die sich jetzt schon mit managerfragen.org auseinandersetzen sind diejenigen, die schon verstanden haben, wie Leadership 2.0 funktioniert. Sie stellen sich jetzt schon die Frage, wie sie das organisieren, der Nutzen ist Ihnen für sich und ihre Unternehmen glasklar. Denn natürlich sind sie aufgefordert, dass sie die Prozesse im Unternehmen so organisieren und koordinieren, dass sie auf Anfragen von Nutzern auch reagieren können und das möglichst schnell. Da spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Denn es ist nicht damit getan, einmal in Erscheinung zu treten und alle weiteren Fragen nicht mehr zu beantworten. Es geht um nachhaltige Authenzität.

05.11.2012 01:57:08

Warum sollte sich ein Manager für die Meinung eines Bürgers interessieren?

05.11.2012 01:58:04

Das Stichwort ist „Partizipation“, nach innen und nach außen. Manager werden auf der Plattform enorm wichtiges und relevantes Feedback von Bürgern erhalten. Bürger stellen Fragen, wenn etwas Unmut hervorruft, aber auch, wenn sie Interesse an einem Unternehmen haben und auf der Suche nach Informationen sind. Ein Manager kann auf diesem Weg Feedback bekommen, das er in eigene Überlegungen aufnehmen kann. Natürlich geht es dabei auch um das Image der Firma. Im Sinne des Leadership Branding nehmen die Vorstände und Manager eine wichtige Rolle dabei ein. Sie sind für die Imageprägung ihres Unternehmens ebenfalls entscheidend.

05.11.2012 01:58:50

Managerfragen.org macht den Anfang. Wird Ihrer Meinung nach Dialog im Netz immer wichtiger werden?

05.11.2012 01:59:10

Managerfragen.org ist ein Baustein in einem großen Ganzen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Initiative die Vorhut von vielen nachfolgenden Projekten dieser Art ist. Aber es beginnt auch schon im Kleinen: Das ist bei uns auf den vielen Social Media Kanälen der Deutschen Telekom AG zu erkennen. Ein schönes Beispiel ist unser Servicekanal telekom_hilft, über den wir Kunden bei Servicefällen unterstützen. Unsere Mitarbeiter, die im direkten Dialog mit dem Kunden versuchen, das Problem zu lösen, können auf diese Weise sehr viel Feedback von außen nach innen holen. Das ist unglaublich, wie viel gute Erfahrungen wir mit dieser Art des Kundendialogs gemacht haben. Bei Managerfragen.org erfolgt der Dialog zudem nicht völlig ungesteuert, sondern wird von einem redaktionellen Team betreut. Ich bin schon sehr auf die Dialoge dort gespannt.

Adressat/in der Frage

Stephan Grabmeier

Haufe-umantis AG
Chief Innovation Evangelist

managerfragen.org

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