Lieber Herr Gros,
vielen Dank, dass Sie sich für einen öffentlichen Gesellschaftsdialog engagieren!
Zum Einstieg daher direkt die Frage, was ein Finanzchef eines Unternehmens wie Haniel mit gesellschaftlichen Themen und der Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung zu tun hat? Woher kommt Ihr Interesse, das als Aussenstehenden zunächst einmal überraschend erscheint?
Beste Grüße nach Duisburg,
Clemens Brandstetter
Lieber Herr Brandstetter,
ich halte eine zivilgesellschaftliches Engagement für eine Selbstverständlichkeit. Es liegt uns Deutschen immer nahe, nach "denen da oben", dem Staat zu rufen und auf der Couch sitzen zu bleiben. Das ist zu wenig um das Miteinander von Menschen zu gestalten. Insofern versuche ich sowohl meine Überzeugungen als auch meine Kenntnisse aus meiner Berufserfahrung, die von meiner aktuellen Position als Treasurer bei Haniel bis zu meiner Zeit als persönlicher Referent bei Dr. Otto Graf Lambsdorff reichen, einzubringen. Das macht mir nicht nur Spaß, es erweitert auch meinen Horizont immer wieder.
Das klingt wirklich spannend!
Stichwort „Überzeugungen“: Wie erleben Sie die mediale Debatte über Manager und Unternehmen und ihre „Verfehlungen“? … von der Finanzindustrie, über die Lebensmittelbranche, im Textilbereich bis hin zur Automobilindustrie etc. … Berührt Sie das?
Worin liegen für Sie die Ursachen und wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen?
Zugestandenermaßen nicht ganz einfache Fragen …
Nicht alles, was öffentlich negativ diskutiert wird, sind Verfehlungen. Manches ist auch unternehmerisches Risiko, was eingegangen werden muss. Und das kann auch schon einmal schief gehen.
Was die wirklichen Verfehlungen angeht, so ist das m.E. meistens ein Fall von "Gier frisst Hirn" verbunden mit dem Gedanken, dass man unfehlbar ist. Leider unterliegen Privatpersonen natürlicherweise der gleichen Schwäche, nur hat das bei weitem nicht solche Auswirkungen. Wenn also potenziell jeder Mensch anfällig ist, stellt sich die Frage nach der Auswahl der Manager und deren Überwachung um Menschen mit entsprechender Integrität und gehörigem Verantwortungsbewusstsein zu finden. Aber hier weiß ich auch keine einfache Antwort…
Danke für Ihre offene Rückmeldung.
Ich würde mich gerne noch näher an das Thema herantatsten – zu einen bezogen auf die eigene Rolle und Sie persönlich, zum anderen gerichtet auf den Berufsstand „des Managers“.
Wo sehen Sie sich ganz persönlich so manches Mal im Konflikt mit Ihrer persönlichen Haltung und Werten mit Ihrer Rolle als Führungskarft oder auch im Spannungsfeld als Top Manager mit Entscheidungen des Unternehmens, die Ihrer Haltung entgegenstehen? Oftmals sind es ja auch die kleinen Dinge.
Meine Anschlussfrage zielt darauf ab, ausgehend von Ihnen selber, was Sie sich von Management-Kolleginnen und -Kollegen oder auch von anderen Unternehmen verstärkt wünschen würden?
Was ich in diesem Zusammenhang am wenigsten mag sind "Placebos". Man macht mal halbherzig irgend etwas, um sich ein gutes Gewissen zu erkaufen und extern "gut" zu erscheinen oder um Kosten zu senken oder, oder, oder, nur weil das Manager Magazin darüber schreibt. Das führt dann zu "greenwashing" und ähnlichem. Jedes Jahr wird da eine andere Sau durchs Dorf getrieben, immer der Herde nach. Was ich mir wünschen würde, wäre Ersthaftigkeit. Nachhaltig wenige Dinge tun, anstatt sich zu verzetteln. Und bitte nicht Soziales, Ökologisches, Kulturelles, Ökonomisches oder was auch immer machen, weil es gerade Mode ist und alle "da etwas tun". Das würde ich mir wünschen. Das wäre Haltung.