Sehr geehrter Herr Buchinger,
Ich kontaktiere Sie als Mitglied des Projektteams „Wirtschaft und Werte“ des Studentenforums im Tönissteiner Kreis, einem politisch und konfessionell unabhängigem interdisziplinären Think Tank deutscher Studierender mit internationaler Orientierung. Im Rahmen dieses Projektes führen wir eine Befragung deutscher Führungskräfte aus der Privatwirtschaft durch, die wir über die Plattform Managerfragen.org ergänzen.
Gerne würden wir Ihnen folgende Frage stellen:
Wurden Sie schon einmal bzw. werden Sie regelmäßig im Rahmen Ihrer Berufstätigkeit mit Situationen konfrontiert, die Sie als ethische Herausforderung bezeichnen würden? Wäre es Ihnen möglich und erlaubt, uns eine dieser Situationen (selbstverständlich anonym) konkret zu schildern?
Mit bestem Dank für Ihre Antwort und freundlichen Grüßen
i.A. des Projektteams
Alexander Abdel Gawad
Sehr geehrter Herr Gawad,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr spannend finde und gerne beantworten möchte. Ich habe lange darüber nachgedacht und derartige Situationen sind mir vereinzelt immer wieder begegnet, wenn auch nur in einer abgeschwächten Form.
Bisher blieb die Intensität der ethischen Herausforderung in einem Rahmen, der es nicht notwendig machte, ein Mandat abzubrechen oder abzulehnen. Da ich bereits im Vorfeld bei Vorgesprächen mit potentiellen Kunden deutlich darauf verweise, dass ich nicht zur Verfügung stehe, unmenschliche Maßnahmen zur rücksichtslosen Maximierung von Profit zu unterstützen. Aufgrund der klaren Botschaft auf meiner Webpräsenz, in der ich den “Ehrbaren Kaufmann” als Vision klar in den Mittelpunkt stelle, ist davon auszugehen, dass mich Interessenten, die nicht ethische Maßnahmen vorhaben, gar nicht erst in Erwägung ziehen, mich zu fragen.
Zuweilen ist es vorgekommen, dass Headhunter mich angerufen haben und mir eine Position in Unternehmen anboten, für die ich aus ethischen Gründen nie arbeiten würde (z.B. reine Rüstungsunternehmen oder Tabakkonzerne). Derartige Positionen habe ich mit Verweis auf mein ethisches Verständnis von vornherein abgelehnt.
Im Rahmen meiner Vortrags- und Beratungstätigkeiten habe ich den “Ehrbaren Kaufmann” stets im Fokus und arbeite jeden Tag daran, Entscheidern die Welt außerhalb der reinen Betriebswirtschaftslehre nahe zu bringen und ihnen zu zeigen, welche großen Potentiale in Nachhaltigkeit, ethischem Handeln und nicht zuletzt in Menschen aller Herkunft und aus allen Schichten verborgen sind.
Ich bin überzeugt, dass nur die Unternehmen, die verstanden haben, dass die Wirtschaft für die Gesellschaft da ist und nicht umgekehrt, langfristig erfolgreich sein werden.
Herzliche Grüße,
Mario Buchinger