abcDeutsch für Manager

Der Schaden, der in der deutschen Wirtschaft durch unverständliche Texte entsteht, wird von Experten auf jährlich eine Milliarde Euro geschätzt. Eine Studie der Universität Hohenheim bestätigt die unverständliche Sprache der deutschen Spitzenmanager: „Die meisten Vorstandsvorsitzenden denken vor allem an Analysten und Wirtschaftsjournalisten, wenn sie auf der Hauptversammlung sprechen. Sie vergessen, dass sie auch in die breite Öffentlichkeit wirken können und legen deshalb viel zu wenig Wert auf kurze Sätze und gebräuchliche Wörter“, so Prof. Dr. Frank Brettschneider, Leiter des Fachgebiets Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim.

Nichts weiter als „Nonsens aus der Chefetage“ – so beschwert sich u.a. Medienwissenschaftler Prof. Christoph Moss. Die Unternehmen kommunizieren am Menschen vorbei. Verbaler Nonsens ist und bleibt eines der Hauptprobleme. Dabei ist Sprache keine Nebensache, vielmehr Hauptsache: schon vor 30 Jahren fanden amerikanische Forscher heraus, dass etwa 40 Prozent des Marktwerts börsennotierter Unternehmen von der Kommunikationsarbeit abhängig ist.

Deutsch für Manager – wir alle kennen es nur zu gut. Nur verstehen tut man es nicht. „Multi-Channel-Strategie“ oder lieber „No-Line-Handel“, „Special Investment Vehicles“, „Venture-Capital-Tochtergesellschaft“, „Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen“, „pro-zyklische Eigenkapitalsvorschriften“… Mal Klartext bitte!

Politische Übersetzungsschwierigkeiten

crisis

Doch nicht nur die Sprache der Unternehmer, auch der gesamte Tenor der Politik im Hinblick auf die Finanzkrise steht seit einiger Zeit in der Kritik, so bspw. Dirk Elsner vom Wirtschaftsblog „BlickLog“; „Der Fokus ist derzeit ganz auf Defensive ausgerichtet (“das Finanzsystem muss sicher werden”) und welche Geschäfte nicht mehr betrieben werden sollen (“Spekulation”, Hochfrequenzhandel etc.). Was ein Finanzsektor soll und wie man ihn positiv gestalten kann, will anscheinend kaum jemand hören.“

„Worte prägen Politik. Wer die Macht über die Sprache hat, hält die Deutungshoheit und gibt die Strategien vor“, so Fred Grimm, Journalist und Autor in einer Kolumne des Magazins enorm. So ist die Bankenkrise mittlerweile zur Schuldenkrise oder auch Staatsschuldenkrise umbenannt geworden. Die staatlichen Rekordverschuldungen, letztlich der Preis für den seit 2008 anhaltenden Versuch, die maroden Finanzhäuser zu retten, stehen nun als begrifflicher Ersatz für die eigentliche Misere: die Finanzinstitute selbst. Grimm nennt dazu Cicero-Autor Wilfried Herz, der die begriffliche Umwandlung von der Banken- in die Schuldenkrise als „den wohl größten PR-Coup der Geschichte“treffend beschreibt. Die Komplexität der Finanzkrise erhöht sich mit jedem weiteren Regulierungsversuch – doch was erreicht davon den Bürger? „Staatsschuldenkrisenreformgefasel“, so Grimm, trifft es wohl ganz gut. Und das haben – ausnahmsweise –  nicht die Medien zu verantworten. In der Sprache der Wirtschaftskrise zeigt sich die Krise der Wirtschaftssprache, so Moss. Worthülsen, unverständlichen Abkürzungen und Anglizismen lassen die Öffentlichkeit nicht nur verunsichern, sondern schränken auch die Urteilskraft ein.

Oder man hält es wie die Regierung: am besten einfach den Eindruck vermitteln, die Krise sei vorbei und nicht mehr darüber reden. Die Eurokrise bleibt absolutes „Angstthema“ (Cicero) und wird konsequent aus dem Bundeswahlkampf rausgehalten. Warum auch, wenn unsere Wirtschaft ja gerade boomt? Die Krise scheint aus den Schlagzeilen verschwunden, doch die Probleme in Europa sind nur vertagt. Diese „Vertuschungsstrategie“, wie die Wirtschaftswoche schreibt, wird sich rächen: nach der Wahl werden die ungelösten Probleme mit doppelter Macht zurückkommen.  Und mal wieder den Bürgern die Sprache verschlagen.

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Mehr zur Studie „Manager im Verständlichkeits-Check“:

https://www.uni-hohenheim.de/news/manager-im-verstaendlichkeits-check-sieger-ist-telekom-chef-rene-obermann-2

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