Das Ruhrgebiet in Aufruhr: Thyssen-Krupp und Opel liefern zum Ende des Jahres turbulente Schlagzeilen. Der Traditionskonzern Thyssen-Krupp steckt mit 5 Millarden Euro Verlusten, dem mit Abstand größten Fehlbetrag in der Firmenhistorie, in der größten Krise seit der Fusion im Jahre 1999. Opel verkündigt vergangene Woche die Schließung des Bochumer Werks bis 2016. In den Medien wird einmal mehr analysiert: was ist da alles schiefgelaufen? Fragen über Fragen, vor allem an die Führungsebene.
Seit letzter Woche steht also nun Opel auch auf der Agenda. GM macht mit Opel seit langem hohe Verluste, Folge waren oft Stellenstreichungen und ein Wechsel in den Chefetagen: Sieben Chefs in 14 Jahren, die sich an verschiedenen Sanierungsprogrammen probierten. Die Schuldenkrise tat ihr übriges dazu. Ein US- Management mit einer ungewöhnlichen und letztlich fatalen Strategie, wodurch der Verkauf von Opel außerhalb Europas und so eine globale Aufstellung von Opel verhinderte (VW fuhr derweil Rekordgewinne im und durch den Wachstumsmarkt in China ein). Das – wie so oft zitierte – „Sterben auf Raten“ wird begleitet durch die jahrelange Diskussion, ob und wie lange es Opel wohl noch geben wird; eine zusätzliche Verunsicherung für potentielle Kunden.
Von Thyssen-Krupp hört man nun nach den ersten großen Schlagzeilen, Rechtfertigungs- und Erklärungsversuche. Jüngst Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger, der den in der Öffentlichkeit beschuldigten Aufsichtsrat Gerhard Cromme verteidigt: verantwortlich für die 5 Milliarden Verluste sei das frühere Management, die mit erfolglosen Stahlwerken in der USA und Brasilien die Schulden in die Höhe trieben. Vor allem bei Thyssen-Krupp wiegt der Fall besonders schwer: Gerhard Cromme galt lange Zeit als Management-Koryphäe, wurde 2001 an die Spitze der Regierungskommission Deutscher Coporate Governance Index gesetzt. Die Kommission sollte Regeln für gutes Handeln im Management aufstellen.
Gutes Handeln – da war was. Fest steht: die Krise bei Thyssen-Krupp ist weit mehr als ein Managementproblem. Der Kern liegt in einem unglücklichen Führungsverständnis, was über Jahre hinweg herrschte: blinde Loyalität und Seilschaften seien oft wichtiger gewesen als unternehmerischer Erfolg, so Hiesinger. Fehlentwicklungen und Abweichungen wurden lieber verschwiegen als korrigiert – oder auch mit „zu optimistischen Ansagen“ verzerrt.
Es verwundert bei all dem nicht, dass der Tenor momentan ausschließlich aus Berichten über unverantwortlicher Führungskultur besteht. Doch wo verbergen sich eigentlich die Manager bei Thyssen-Krupp und Opel, die sich glaubwürdig für eine verantwortungsvolle Führungskultur einsetzen, und das nicht erst seit gestern? Im Hintergrund, in kleineren Wirkungskreisen, abseits der großen Seilschaften? Eine solche Frage mag angesichts der Schlagzeilen idealistisch klingen, doch gerade diese Figuren scheinen in der aktuellen Diskussion besonders interessant.
Doch soll ja jetzt bald die Transparenz an erster Stelle stehen, selbstverständlich. Hiesinger will bei dem angeschlagenen Stahl- und Industriegüterkonzern betriebswirtschaftlich und auch von der Unternehmenskultur einen Neuanfang wagen. Ein tiefgreifender Kulturwandel muss her. Erinnert stark an „Krise als produktiver Zustand“ – externe Kritiker fordern dazu jedoch mehr: eine offene Diskussion, auch über Crommes Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender. Ohne diese Offenheit wird ein Kulturwandel schwer.
Fangen wir jetzt mit dem offenen Dialog an. Stellen Sie direkt ihre Fragen auf managerfragen.org:
Heinrich Hiesinger (ThyssenKrupp AG), Gerhard Cromme (ThyssenKrupp AG), Thomas Sedran (Opel AG)
- Was ist für die Manager oberste Priorität in Zukunft, was genau muss in der Führungskultur unbedingt verbessert werden? Und wie will man das erreichen?
- Hiesinger sagte über die Rolle Crommes im täglichen Geschäft, dass wenig direkter Kontakt mit den Mitarbeitern bestehe. Was muss sich in den internen Strukturen ändern, um wieder näher an der Belegschaft selbst zu sein, die Identifikation mit dem Traditionskonzern wieder zu stärken?
- Opel musste durch die jahrelangen Zitterpartien stark an seinem Image einbüßen. Was haben die Verantwortlichen aus den Managementfehlern der amerikanischen Mutter General Motors (GM) gelernt?