Der Begriff „CSR – Corporate Social Responsibility“ beschreibt die mehr oder weniger freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, über ihren eigentlichen Geschäftszweck hinaus einen Beitrag zur nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten. Die Frage ist, wozu sich Unternehmen eigentlich verpflichten, wenn sie Verantwortung für Nachhaltigkeit übernehmen. Und was landläufig unter der als CSR-definierten Verpflichtung verstanden wird. Die Frage stellt sich etwa, wenn Unternehmen Stellen in Niedrigkostenländer verlagern, um Effizienzsteigerungen herbei zu führen. Oder wenn Arbeiter am Anfang der Lieferkette schlecht bezahlt werden, damit am Ende der Lieferkette ein billiges T-Shirt herauskommt. Oder wenn Regenwälder zerstört werden, um Weideflächen für Nutztiere zu generieren oder Aluminium abzubauen. Oder die Korrumpierung ganzer Gesellschaften in Kauf genommen wird, um an Ölfelder heranzukommen. Oder, oder, oder. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Die „social responsibility“ der Unternehmen scheint ihrer eigentlichen Geschäftspraxis oftmals im Weg zu stehen und diese Tatsache ist Gegenstand eines immer breiter werdenden gesellschaftlichen Widerstandes. Dieser beeinflusst Politik und Konsumverhalten und übt dadurch Druck auf die Unternehmen aus. Es ist zu beobachten, wie sich die Unternehmen derzeit darin überbieten, der Welt zu erklären, dass sie alles tun, um ihre Geschäftspraxis verträglich zu gestalten. Heute ist ja im Prinzip jeder und alles irgendwie fair, bio, regional, nachhaltig, sozial und überhaupt und in jedem Fall total engagiert und zukunftsorientiert. Dies gilt für bestehende Produkte wie auch als Argumentationsgrundlage für die Einführung von Innovationen. CSR ist in aller Munde oder wird dort hinein gelegt. Friß oder stirb.

Es ist jedoch auch zu beobachten, dass den Unternehmen zunehmend weniger Menschen das CSR-Theater abnehmen. So zeigt etwa das diesjährige Trust-Barometer von Edelman – das ist eine seit 15 Jahren jährlich stattfindende globale Umfrage zum Vertrauen von Menschen in Institutionen – dass viele Menschen weltweit Unternehmen Geldgier als Motiv für die Einführung von Innovationen zur wirtschaftlichen Nutzung unterstellen. Das ist ein Problem für Unternehmen, denn dieser Vertrauensverlust trifft sie an ihrer empfindlichsten Stelle – die gleichzeitig auch die empfindlichste Stelle der Gesellschaft ist: Eine Weiterentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft kann nur stattfinden, wenn Vertrauen in und Interesse an neuen Lösungen und Produkten besteht.

Von Unternehmensleitern würde man an dieser Stelle nun wohl erwarten, dass sie zwischen Unternehmen und der Gesellschaft vermitteln. Doch das Vertrauen in sie ist dem Trust-Barometer zufolge in den letzten Jahren tief gesunken, ihre Glaubwürdigkeit auf einem Nullpunkt angekommen. Gemäß der Studie sind die Menschen untereinander zu Vertrauens- und Informationsgebern geworden – so gelten Familie und Freunde sowie akademische Experten als vertrauensvolle Informationsgeber – und grenzen sich damit deutlich von der Machtelite ab.

Man könnte sagen, die Beziehung von Unternehmen und Gesellschaft steckt in einer handfesten Krise. Was nun? Zunächst empfiehlt es sich für Unternehmen, den Menschen genau zu zuhören. Dem Trust-Barometer folgend glauben 81% aller weltweit Befragten, dass es Unternehmen möglich ist, mit ihrem Tun gleichzeitig ihren Ertrag zu steigern und die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den Gemeinschaften zu verbessern, innerhalb derer sie operieren.

Wie soll das gehen? – wird sich so mancher Unternehmer nun fragen. Ganz einfach: Umdenken. Nicht mehr als Elite handeln. Auf Konsens aus sein, statt auf Überzeugung. Miteinander denken, füreinander handeln – denn Nachhaltigkeit existiert nur im Wir-Modus. Nachhaltigkeit ist kein Faktum, sondern immer und in jedem Fall ein Prozess.

Ich rate Unternehmen, ihre Nachhaltigkeit als „im Werden“ zu begreifen und damit aufzuhören, uns vorzugaukeln, dass sie bereits jetzt existiert und wir alle daran teilhaben können. Ihren aktuellen Vertrauensverlust sollten sie anerkennen, bevor er größer wird und ihn außerdem als Angebot der Gesellschaft verstehen, sie bei der Gestaltung von nachhaltigen unternehmerischen Handlungen zu unterstützen. Entsprechend müssen Unternehmen – zusammen mit den Menschen – nach Lösungen suchen, wie diese gemeinsame Entwicklung möglich ist. Aus meiner Erfahrung heraus spielt Kommunikation hier eine bedeutende organisatorische Rolle. Sie stellt einerseits Transparenz durch die Bereitstellung von Informationen her, und moderiert anderseits das Zusammenspiel unterschiedlicher Perspektiven in der Entscheidungsfindung. Für Unternehmen und ihre Leiter besteht die große Herausforderung darin, das Werden und die Gemeinsamkeit und Gleichheit mit anderen auszuhalten und daraus Chancen für alle abzuleiten.

Unternehmen und Gesellschaft mögen aktuell eine Beziehungskrise haben – die Chance, daraus einen Wendepunkt für eine bessere Zukunft zu machen, liegt jedoch auf der Hand.

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