Von Walter Zornek und Josephine Valeske

Viele Unternehmen verteidigen ihre Praxis, trotz massiver Staatshilfen Dividenden an Aktionäre auszuschütten, mit dem Argument, den Kapitalmärkten gerade in Krisenzeiten positive Signale senden zu müssen. Dabei vergessen sie jedoch, mit maßgebenden Stakeholdern zu kommunizieren – allen voran mit der Zivilgesellschaft.

Wie viele andere Unternehmen schicken auch die deutschen Autobauer aktuell zehntausende Mitarbeiter in staatlich finanzierte Kurzarbeit. Um die Geschäfte wieder anzukurbeln, verlangen sie zudem eine Neuauflage der sogenannten Abwrackprämie, halten aber zugleich an Dividendenzahlungen für ihre Aktionäre fest. Daimler und BMW kürzen sie immerhin, VW will sie dagegen erhöhen. Und die Automobilhersteller sind bei weitem nicht die einzigen: In einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT verteidigte Post-Chef Appel die Erhöhung der Dividende des Unternehmens – obwohl die Post Kurzarbeiter beschäftigt – mit einem Verweis auf angebliche Verluste der Rentenfonds, die als Aktionäre der Post fungieren würden. Appel vertritt damit offenbar die Auffassung einer Mehrheit in den europäischen Führungsetagen: Laut einer Studie der DZ Bank haben bisher nur 24 Prozent der europäischen Unternehmen ihre Dividendenzahlungen ausgesetzt, obwohl deutlich mehr Unternehmen Staatshilfe erhalten dürften.

Dürfen Unternehmen, die infolge der Corona-Krise aus Staatsmitteln unterstützt werden, Dividenden also einen Teil ihres Gewinns an ihre Eigentümer und Aktionäre ausschütten? Über diese Praxis wird seit einigen Wochen in den Medien wie in den sozialen Netzwerken heftig gestritten. Inzwischen hat auch die deutsche Regierung hier Stellung bezogen. Sowohl Finanzminister Olaf Scholz als auch Wirtschaftsminister Peter Altmeier haben sich dagegen ausgesprochen: Von Unternehmen, die mehr als eine halbe Milliarde Euro an Corona-Krediten von der KfW erhalten, erwarte man, dass auf Dividendenzahlungen verzichtet wird. Das trifft beispielsweise auf Adidas und die Lufthansa zu, die entsprechend Hilfe erhalten haben oder um noch um milliardenschwere Hilfspakete verhandeln. Insgesamt haben bislang sieben Dax-Konzerne angekündigt, auf Gewinnausschüttungen zu verzichten.

Unabhängig von diesen vereinzelten Signalen des Einlenkens muss das Thema unbedingt auch in einem größeren Rahmen diskutiert werden. Denn: Wie sollen sich Unternehmen verhalten, die KfW-Kredite von weniger als einer halben Milliarde Euro erhalten und ihre Mitarbeiter in staatlich finanzierte Kurzarbeit schicken mussten? Die Frage, ob Kurzarbeitergeld Staatshilfe ist, wird momentan intensiv diskutiert: Das Kurzarbeitergeld wird aus der Kasse der Arbeitslosenversicherung bezahlt, in die bekanntlich auch die Arbeitgeber einzahlen. Bei aktuell mehr als zehn Millionen angemeldeten Kurzarbeitern Tendenz steigend dürften die dafür notwendigen Rücklagen allerdings schnell aufgebraucht sein; dann schießt der Bund mit Steuergeldern nach, was wiederum eindeutig Staatshilfe ist.

Zu bedenken ist außerdem: Dividenden werden dem Nachsteuergewinn entnommen und sollen die Aktionäre „bei der Stange“ halten; sie sind somit auch ein Finanzmarktinstrument für die Unternehmen. Gleichzeitig gelten Dividenden als Indiz für die wirtschaftliche Stärke eines Unternehmens. Vielen kritischen Beobachtern stellt sich deshalb auch die Frage, welche wirtschaftliche Stärke ein Unternehmen, das sich aufgrund der Corona-Pandemie in der Krise befindet und Kurzarbeit sowie staatliche Hilfe beantragt – seien es Kredite oder Prämien  – denn nun tatsächlich hat. Und wie ist es moralisch zu rechtfertigen, sich einerseits aus Steuermitteln stützen zu lassen und andererseits Dividenden an Aktionäre auszuschütten, statt diese Mittel in die Konsolidierung des Unternehmens zu stecken oder beispielsweise das Kurzarbeitergehalt der Mitarbeiter aufzustocken?

Zwar konzentriert sich die öffentliche Diskussion vor allem auf Dividenden, aber dieser Logik folgend sollten auch andere Themen mit einbezogen werden: Dazu gehören unbedingt und wieder einmal die Management-Boni sowie die bekannten Praxen zur Steueroptimierung der Konzerne durch spezielle Finanzkonstellationen mit Hilfe von Steueroasen. Viele Dax-Konzerne – auch die Deutsche Post – haben Tochtergesellschaften in ausgewiesenen Steuerparadiesen wie den Cayman-Inseln oder Panama, die auf einer schwarzen Steuerliste der EU stehen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu: Erst Steuerparadies, dann Staatsrettung.

Gut ist, wenn Unternehmenschefs zu den zuvor aufgeworfenen Fragen Stellung beziehen. Noch besser ist es, wenn sie Transparenz schaffen, um die Liquiditätssituation ihres Unternehmens für den Staat so darzustellen, dass informiert und qualifiziert entschieden werden kann. Am allerbesten ist es jedoch, wenn der Staat von vornherein noch klarere Kriterien für die Vergabe von Staatshilfen herausarbeitet und diese an Bedingungen knüpft, die das „legale Ausnutzen“ des Systems von Staatshilfen aktuell und in Zukunft verhindern helfen.

In Dänemark und Frankreich müssen Unternehmen, die um Staatshilfe bitten und Kurzarbeit durchführen, ihre Gewinn- und Finanztransaktionen offenlegen, auf vorhandene Liquiditätsreserven zurückgreifen und auf Dividendenzahlungen sowie auf Boni fürs Management verzichten. Deutschland täte möglicherweise gut daran, ähnliche Regelungen einzuführen.

Unternehmen haben Verantwortung gegenüber all ihren Stakeholdern. Dazu zählen die Aktionäre, Kunden und Mitarbeiter, aber auch die Gesellschaft und der Staat. Vor allem die Zivilgesellschaft, deren Steuergelder letztendlich die Rettung der Unternehmen finanzieren, wird dabei viel zu wenig in die Debatte mit einbezogen. Es ist wichtig, dass nicht nur Signale an den Kapitalmarkt gesendet werden, die zeigen, dass die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens beherrschbar ist. Auch an die Zivilgesellschaft, der momentan sehr viel abverlangt wird, sind unbedingt Zeichen zu richten, damit der für den sozialen Frieden kritische Leitsatz sich in dieser Krise nicht bewahrheitet: „Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert“. Wenn Unternehmen, die in der gegenwärtigen Krise in irgendeiner Art Staatshilfen erhalten, auf Dividendenzahlungen verzichteten, wäre dies ein solches Zeichen und immerhin ein Anfang.

Josephine Valeske / Walter Zornek

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