Liebe Barbara, „digitale Zivilcourage“ war Dein / Euer Schwerpunktthema 2020. Haben wir als Gesellschaft in diesem bewegten Jahr „digitale Zivilcourage“ gezeigt?

Ich finde: viele ja! Dieses Jahr stellt uns als Gesellschaft vor große Herausforderungen. Corona hat Ängste und Unsicherheiten bei vielen Menschen ausgelöst. Und umso mehr werden sie empfänglich für Verschwörungstheorien und es fällt noch schwerer zwischen Fakt und Lüge zu unterscheiden. Doch wir haben auch gesehen, dass Menschen diese Dinge nicht einfach unwidersprochen stehen lassen – und das nicht nur auf der Straße, sondern gerade auch im digitalen Raum: sie beziehen Stellung, stellen richtig, argumentieren konstruktiv und hinterfragen. Und das ist der Kern von „digitaler Zivilcourage“: für demokratische Werte im Netz einstehen und diese mutig verteidigen. Wenn ich sehe, wie viele Millionen Menschen sich für unsere Kampagne #DABEI – Gegen Hass im Netz interessiert haben und dass in 2020 über 17.000 Menschen an den von uns angebotenen Workshops teilgenommen haben, dann denke ich: es gibt mehr Fake und Hass im Netz – es gibt aber auch mehr Zivilcourage.

 

Wie siehst Du die Lage im Netz … und zugleich, worauf können wir aufbauen?

Die digitale Welt ist beides: ein virtueller Ort, an dem wir neue Perspektiven kennenlernen können, uns beteiligen können, grandiose Vorteile beruflich, privat und für die Gesellschaft nutzen können. Gleichzeitig ist es aber auch ein Ort, an dem Missbrauch durch große Reichweite und hohe Verbreitungsgeschwindigkeit möglich wird. Doch: wir wissen aus Untersuchungen, dass Hatespeech – der strategisch eingesetzte Hass zur Spaltung der Gesellschaft und Ausgrenzung von Menschen und Gruppen – von wenigen ausgelöst wird. Wenig, die wissen wie Medienkompetenz für eigene, anti-demokratische Zwecke genutzt wird. Wenn wir weiter wegschauen und Diskriminierung und Hatespeech unkommentiert stehen lassen, dann wird diese Sprache und auch das Denken dahinter salonfähig. Zum einen hilft also Aufklärung und Sensibilisierung – vor allem der Mitleser. Und die gute Nachricht ist: wir können schon im Kleinen aktiv werden gegen Hass im Netz. Aktuelle Studien zeigen: Counterspeech, also der konstruktive Widerstand im Netz, zeigt seine Wirkung! Nachweislich werden Diskussionen, die moderiert sind, bei denen Mitleser aktiv werden und alternative Sichtweisen anbieten, sachlicher und Menschen horchen auf und denken nach. Der Anspruch, die Auslöser von strategischem Hass und Fake umzustimmen, ist ein hoher, aber Mitleser haben sich oft noch keine Meinung gebildet.

 

Mit welchen Maßnahmen und Formaten hast Du und ihr als Deutsche Telekom AG versucht, einen Beitrag für mehr „digitale Zivilcourage“ zu leisten?

Wir haben in diesem Jahr eine ganze Reihe von Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Sie haben aber im Kern alle eine Botschaft gemeinsam: Digitale Zivilcourage zu zeigen ist unumgänglich und Zivilcourage kann man lernen! Mit unseren Inhalten zum Thema „digitale Zivilcourage“, die man aufbereitet für verschiedene Zielgruppen von 9-99 Jahren auf medienabersicher.de finden kann und unserem Themenspecial bieten wir Information und konkretes Material, das dabei hilft Medien- und Demokratiekompetenz zu vermitteln und zu entwickeln. Es gibt in der Toolbox auf Teachtoday über 100 Formate rund um digitale Themen, die ohne Expertenwissen genutzt werden können. 2020 ist auch das Jahr der Podcasts! Wir haben diverse Podcast rund um Digitale Zivilcourage herausgebracht und alleine der Podcast unter Culture for Breakfast wurde bis heute über 63.000 mal gehört. Beim Magenta Moon, einer hybriden Veranstaltung in Berlin und im Netz haben wir sowohl Workshops vor Ort wie auch 47 Online-Sessions angeboten – alle rund um Hass im Netz, Fake News, Filterblasen… Gemeinsam mit insgesamt 44 gemeinnützigen Organisationen und Vereinen haben wir uns in der Öffentlichkeit gezeigt und werden dies auch in 2021 fortsetzen.

Für uns bei der Deutschen Telekom ist #DABEI – Gegen Hass im Netz nicht nur eine Kampagne, die in Kinos und im Fernsehen gezeigt wird, sondern eine Haltung, die wir im Unternehmen und nach außen mit Leidenschaft vertreten und andere inspirieren und motivieren wollen, sich uns anzuschließen!

 

Auch gemeinsam mit uns als Verein managerfragen.org e.V. haben wir ja eine gemeinsame Online-Veranstaltungsserie durchgeführt. Was sind Deine Eindrücke und Erfahrungen?

Unsere gemeinsamen Online-Sessions zu digitaler Zivilcourage und weiteren Vertiefungsthemen wie Verschwörungstheorien mit vielen interaktiven Anteilen sind super angekommen. So haben wir zum Beispiel im Workshop „Gegen Hass im Netz“ an Original-Posts aus den sozialen Medien Muster diskutiert und ausprobiert, wie man antworten kann und welche Wirkung dies auf die Mitleser hat. Uns geht es ja immer darum, den Dialog wieder in konstruktive Bahnen zu lenken und nie darum, Hass mit Hass zu beantworten. Manchmal gar nicht so einfach, vor allem, wenn man provoziert wird und sich für ein gesellschaftlich relevantes Thema sehr einsetzt, wie es ja viele der Social Entrepreneure, die wir kennengelernt haben, tun. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir einmal mehr spüren konnten, wie gut wir als Partner zusammenpassen. Mich hat auch gefreut, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktiv dabei waren und das Feedback zu den Sessions sehr gut war.

 

Wenn Du nach vorne schaust auf das Jahr 2021, was sagt Dir Dein „Kopf“ und was sagt Dir dein „Herz“ im Zusammenhang der Debattenkultur im Netz in der Auseinandersetzung zu gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen wie auch Positionen?

Eine Krise, wie wir sie im Moment erleben, hebt die unterschiedlichen Perspektiven in unserer Gesellschaft deutlich hervor. Das führt oft zu Reibung und Konflikt, aber auch Missverständnissen zum Beispiel dazu, was Meinungsfreiheit bedeutet und wo auch die Grenzen der eigenen Meinungsfreiheit sind. Es gibt uns aber auch die Chance, unser Gegenüber wieder aufeinander zuzugehen. Denn Meinungsvielfalt ist eine wichtige Grundsäule unserer Demokratie und erst das Abwägen, das Überdenken, das Vergleichen der eigenen Perspektive mit einer anderen führt dazu, dass ich mir wirklich eine eigene Meinung bilden kann. Wichtig ist aber auch aktiv zu werden, wenn Grenzen der Meinungsfreiheit klar überschritten werden. Wir steuern auf ein spannendes 2021 zu: es gibt viele Hoffnungen, dass wieder Normalität einkehren kann und auch die Frage, was wir an Positivem aus der schwierigen Zeit mitnehmen. Wahlen stehen an und die sozialen Medien werden auch hierbei eine wichtige Rolle für die Meinungsbildung spielen. Anti-demokratische Gruppen ziehen auf neue Plattformen um, die weniger reguliert sind. Aber auch: Rechtliche Diskussionen zu Hass im Netz sind täglich in den Medien und wir haben im US-Wahlkampf erlebt, dass Plattformen wie Twitter neue Wege einschlagen. Die vielen tausend Menschen, die sich zusammengeschlossen haben wie beim #ichbinhier und Counterspeech für ein gutes Zusammenleben im Netz betreiben, werden sich nicht mehr stoppen lassen – und das ist gut so! Und wir als Deutsche Telekom werden auch in 2021 eine wichtige Rolle spielen und keine Ruhe geben! Und wir haben ja auch gemeinsam noch viele Ideen, die sich in diesem Jahr nicht umsetzen ließen, aber nur darauf warten zum Einsatz zu kommen.

managerfragen.org

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