Von Walter Zornek und Josephine Valeske

Manchmal kann eine einzige ironische Bemerkung Wellen von Hass auslösen. Die ZDF-Reporterin Nicole Diekmann bekam das zu spüren, als sie zu Beginn des Jahres „Nazis raus“ twitterte. Als sie daraufhin gefragt wurde, wer denn die Nazis seien, antwortete sie in sarkastischer Anspielung auf rechte Parolen: „Alle, die nicht die Grünen wählen“. Daraufhin wurde sie mit unzähligen Hassnachrichten und Drohungen überschüttet, bekam aber zugleich auch emotional aufgeladene Rückendeckung durch viele Twitternutzer und Prominente.

Es sind auch Momente wie dieser, in denen sich die Spaltung einer Gesellschaft offenbart, in der ein ausgewogener, durchdachter und unvoreingenommener Dialog nicht mehr möglich scheint. Das allgemeine Unwohlsein ist allerorten zu spüren, der öffentliche Diskurs ist geprägt von Polarisierung und Spaltung. Die westlichen Demokratien kommen ins Wanken – und mit ihnen die zugrundeliegende liberale Grundordnung. Und digitale Medien sind als „kommunikative Megafone“ dabei nicht unschuldig. Es scheint, dass soziale Medien wie Facebook und Youtube mehr zur weltweiten Polarisierung als zu einer Demokratisierung der Meinungsbildung beitragen.

Vor Kurzen hielt der Comedian Sacha Baron Cohen eine Brandrede gegen Facebook, in der er die Plattform unter anderem für den weltweit zunehmenden Antisemitismus mitverantwortlich machte. Die Algorithmen, die Facebook und andere Plattformen nutzen, um zu entscheiden, welche Posts sie den Usern anzeigen, verbreiten laut Cohen vorsätzlich die Art von Inhalt, die Benutzer aufschreckt und zu Reaktionen veranlasst – also vor allem solche Nachrichten und Posts, die Panik, Angst und Wut auslösen. Ein Grund, warum sich Fake News im Netz oft schneller als echte Nachrichten verbreiten (Link zu letzten Blogartikel). „Stellen Sie sich vor, was Göbbels mit Facebook erreicht hätte,“ zitierte Cohen die Überschrift eines Zeitungsartikels.

Hinzu kommt die schleichende Entmündigung der Nutzer durch Smartphone-Apps unter Einsatz manipulierender Algorithmen. Tristan Harris, ein ehemaliger Google-Produktmanager und Mitbegründer des Center for Humane Technology, sieht die Demokratie zunehmend als „emotionales Marionettenspiel“ (Interview mit Tristan Harris). Was passiert in einer Demokratie, in der App-Nutzer nach 70 Likes besser in ihrem Verhalten von digitalen Konzernen (und den anderen, die Zugriff auf die Daten haben) durchschaubar sind als vom eigenen Ehepartner?

Cohen nutzt seine Bekanntheit, um vor Facebook zu warnen und Harris setzt sich mit seinem Projekt für eine Humanisierung der Digitalisierung ein. Seine Webseite „Human Tech“ bietet einen guten Überblick über wesentliche Probleme, die durch moderne Kommunikationstechnologie ausgelöst werden: Smartphone-Suchtverhalten, Oberflächlichkeit, psychologische Probleme durch das ständige Vergleichen mit anderen, politische Manipulation und Polarisierung, sowie eine mehr als fragwürdige Trennung von Fakten und Wahrheit.

Aber was kann dagegen getan werden? Laut Harris müssen die Geschäftsmodelle so geändert werden, dass in Zukunft ethisches Handeln den Rahmen vorgibt und die digitale Souveränität des Nutzers gewährt wird. Das geht nur durch klare Vorgaben seitens der Politik, die bestenfalls aus einem Dialog von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und  – vor allem – aus der Wirtschaft heraus entstehen.

Dass dabei nicht nur die nationalen Regierungen, sondern vor allem auch die Europäische Union am Zug ist, fordert das Digitale Manifest von t3n:

„Der Plattformkapitalismus des Silicon Valley stößt an ­soziale und moralische Grenzen, die Mischung aus autori­tärem Staatskapitalismus und digitaler Totalüberwachung in China entwickelt sich zunehmend in Richtung einer düsteren Dystopie,“ schreiben die AutorInnen. Nun sei es an Europa, sich für bessere Datenschutzgesetze, höhere Steuern für Datenkonzerne und bessere Zukunftsabsicherungen der Bürger einzusetzen sowie Open-Source-Projekte zu fördern.

Wie das Manifest richtig feststellt, ist es auch keine Lösung, nicht im Netz aktiv zu sein und keine sozialen Netzwerke zu nutzen – denn in einer Gesellschaft, die zunehmend auf digitaler Kommunikation basiert, sind Ausgrenzung und weniger soziale Teilhabe auch im Offline-Leben die Folge. Individuen kann nicht die Schuld dafür gegeben werden, wenn ihre Daten missbraucht werden. Die Informationsasymmetrien zwischen Nutzern und Betreibern von Online-Diensten sind viel zu groß, als dass selbst die engagiertesten Nutzer die Kontrolle über ihre Daten behalten könnten.

Nichtsdestotrotz ist aber digitale Kompetenz eines jeden Nutzers wichtig. Einerseits bezogen auf die Sicherheit der eigenen Daten, andererseits aber auch bezogen auf gesellschaftlichen Dialog. „Digitale Demokratiekompetenz beinhaltet […] insbesondere ethisch-kulturelles, politisches Wissen, Reflexionsvermögen sowie Motivation und Wille zur sozialen Handlung in digitalisierten Kontexten,“ schreibt Harald Gabski vom Grimme-Institut. Um der politischen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, sind somit sowohl politisches Handeln als auch Engagement der Zivilgesellschaft notwendig, um den Online-Dialog wieder menschlicher zu gestalten und Demokratiekompetenz zu fördern.

Auch unser Anliegen von managerfragen.org ist es, den konstruktiv-kritischen Diskurs zwischen Gesellschaft und Wirtschaft zu stärken. Das machen wir digital auf Basis unser eigenen Plattform Werbefrei und ohne manipulierende Algorithmen und natürlich auch immer wieder „analog“ auf verschiedenen Veranstaltungen gemeinsam mit Partnern.

 

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