Verfasser/in der Frage

28.12.2013 16:25:33

Lieber Herr Mono,

vielen Dank, dass Sie sich als Manager auf unserer Plattform dem Gesellschaftsdialog stellen!

2014 steht vor der Tür und ich würde gern im Austausch mit Ihnen eine Vorstellung davon entwickeln, wie es mit der Energiewende weitergeht. Wenn ich die Diskussionen zur Energiewende verfolge, fällt es mir zunehmend schwer zu erkennen, worin eigentlich noch der Grundkonsens besteht. Hauptthema sind momentan die Kosten, die in der Öffentlichkeit häufig gegen die Energiewende instrumentalisiert werden, wodurch der Klimaschutz gegen das Wirtschaftswachstum ausgespielt wird.

Sigmar Gabriel soll nun als neuer Wirtschaftsminister bis Ostern einen Reformvorschlag für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorlegen. Eine große Chance, die Gemengelage der unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen, aber auch eine gewaltige Herausforderung, wenn es gilt, die gesellschaftliche Verantwortung aller Beteiligten zu organisieren und nicht nur die nächste halbherzige Kompromisslösung hervorzubringen.

Was können wir Ihrer Meinung nach in den nächsten Monaten erwarten? Was müsste passieren, damit die Energiewende gelingen kann?

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort und freue mich auf den Austausch mit Ihnen.

Mit besten Grüßen
Florian Junge

18.01.2014 14:06:38

Lieber Herr Junge,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie deutet die Antwort eigentlich schon an: Vorgeschobene Argumente werden instrumentalisiert, und scheinheilige Spiele werden gespielt. Letztlich erklärt sich das natürlich aus einer Gemengelage sich widersprechender Interessen. Widersprechende Interessen und der Wettbewerb um deren Durchsetzung sind natürlich an sich eine Normalität in einer pluralen Demokratie und grundsätzlich auch legitim. Allerdings ist die Legitimität an Voraussetzung gebunden: Wahrheit, oder wenn man als aufgeklärter Konstruktivist davon ausgeht, dass es diese per se nicht gibt, zumindest im Habermasschen Verständnis Wahrhaftigkeit.

Wahrhaftig handelt nach Habermas jemand, der nicht versucht zu täuschen, bzw. jemand, der die „Intentionen, die er im Vollzug seiner Sprechakte zu erkennen gibt, sich oder anderen nicht bloß vortäuscht, sondern tatsächlich meint“. Ohne Wahrhaftigkeit ist kein rationaler Diskurs möglich.

Dass Sie, Herr Junge, den Überblick in der energiepolitischen Diskussion verlieren, liegt meiner Wahrnehmung genau daran, dass (fast) alle Diskussionsteilnehmer nicht wahrhaftig kommunizieren.

Eine steile These? Vielleicht. Aber ich kann sie an Beispielen belegen. Nehmen wir den Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dieser schrieb jüngst in einem Positionspapier, dass sich die weitere Gestaltung der Energiewende an einem zentralen Kriterium ausrichten müsse: Der Kosteneffizienz. Einige Zeile weiter unten schlug er eine verpflichtende Direktvermarktung für erneuerbare Energien vor. Damit ist gemeint, dass Erneuerbare Energien nicht mehr eine feste Einspeisevergütung bekommen sollen, sondern einen Aufschlag auf den Erlös, der für sie an der Börse erzielt wird. Ohne in die Einzelheiten dieser komplizierten Idee zu gehen, lässt sich sagen: Eine verpflichtende Direktvermarktung mag man gut finden oder nicht – sie wird in jedem Fall nicht zu mehr Kosteneffizienz führen. Dies ist ökonomisch relativ leicht darstellbar und muss auch dem BDEW bewusst sein. Wenn der Verband trotzdem so tut, als sei genau dies der Fall, handelt er nicht wahrhaftig. In Wirklichkeit geht es ihm also nicht um Kosteneffizienz, sondern um etwas ganz anderes. Warum handelt der Verband so unwahrhaftig und zerstört so den Diskurs?

Um das gleich klar zu machen – ich will hier nicht die Energiebranche in gut (Erneuerbare Energien) und böse (konventionelle Energien) einteilen. Auch Verbände, die der 100 prozent erneuerbar stiftung näher stehen als der BDEW argumentieren häufig nicht wahrhaftig. So findet sich beispielsweise in einem Positionspapier des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE) der Vorschlag, zu einer sogenannten physikalischen Wälzung des EE-Stroms zurückzukehren. Auch dies ist eine komplexe Idee, die ich nicht ausführlich darstellen kann. Wesentlich ist nur, dass der Effekt, den der LEE verspricht, nämlich eine Senkung der EEG-Umlage zu erreichen, nicht eintreten kann. Da der Gutachter, der den Vorschlag entwickelt hat, dies auch deutlich macht, muss der LEE wissen, dass sein Versprechen sich nicht erfüllen wird. Warum gibt der LEE es trotzdem und handelt so nicht wahrhaftig?

Unwahrhaftigkeit ist zunächst ohne Frage ein ethisches Problem. Wie jedes echtes ethisches Problem hat es aber ganz praktische soziale Konsequenzen. Das lässt sich in der energiepolitischen Diskussion ganz gut nachzeichnen.

Wahrscheinlich ähnlich verwirrt, wie Sie es heute sind, Herr Junge, entschloss sich der damalige Umweltminister Peter Altmaier im Februar 2013, eine sogenannte Strompreisbremse vorzuschlagen. Die Ideen, die er in diesem Zusammenhang präsentierte, waren wahrhafte Giftpillen für alle Marktteilnehmer. Natürlich hätte keine von ihnen dazu beigetragen, tatsächlich den Strompreis zu senken. Es sei mal dahin gestellt, ob Altmaier das wusste (und also auch nicht wahrhaftig handelte) oder irrtümlicherweise vom Sinn seiner Ideen ausging.

Die Strompreisbremse scheiterte am politischen Widerstand, aber sie bewirkte eines: Verunsicherung und Frustation bei allen Marktteilnehmern. Es ist zu einfach, Peter Altmaier dafür die Schuld zuzuschreiben. Er handelte so, weil er glaubte, nur noch so handeln zu können. Er handelte, weil er an der fehlenden Wahrhaftigkeit in der energiepolitischen Diskussion verzweifelte.

Was würde Wahrhaftigkeit für die Energiewende bedeuten?

Einiges, und auch einiges, was nicht auf Begeisterung stoßen würde: Zum Beispiel das einzugestehen, was jeder weiß, aber sich keiner zu sagen traut. Der Strompreis wird in Zukunft steigen, und zwar in ganz Europa. Der Grund ist einfach: Der gesamte Kraftwerkspark in Europa ist veraltet und muss erneuert werden. Investitionen hierzu kosten Geld, müssen amortisiert werden. Dass dies so ist, hat nichts mit den Erneuerbaren Energien zu tun. Es hat auch ursächlich nichts mit dem Atomausstieg zu tun. Alle Berechnungen, zum Beispiel die der Europäischen Kommission zeigen: Egal ob wir alte Kraftwerke durch Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke oder Erneuerbare Energien ersetzen, es wird immer etwas teurer. Und überraschenderweise immer in etwa gleich teuer.

Es ist also unwahrhaftig, wenn die Diskursteilnehmer suggerieren, Mittel zu haben, den Kostenaufschwang zu vermeiden.

Natürlich ist es nicht attraktiv, öffentlich zuzugeben, dass es für alle etwas teurer wird. Aber für einen rationalen Diskurs wäre dies eine notwendige Bedingung, weil sie der Maxime der Wahrhaftigkeit entspricht. Ich wasche da meine Hände nicht in Unschuld. Auch ich traue mich auf Podiumsdiskussionen oder bei Vorträgen oder Interviews häufig nicht, das auszusprechen, was keiner hören will. Aber wenn wir es mit der Energiewende ernst meinen, müssen wir den Mut hierzu aufbringen.

Deswegen lautet meine Antwort auf Ihre Frage: Das erste, was wir brauchen, damit die Energiewende gelingt, ist der Mut zur Wahrhaftigkeit. Ob die große Koalition das richtige Klima schaffen wird, damit sich die Akteure trauen, wahrhaftig zu argumentieren? Dies ist meine leise Hoffnung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Herzliche Grüße

René Mono

14.02.2014 13:10:21

Lieber Herr Mono,

herzlichen Dank für Ihre Offenheit. Mit Ihrem Plädoyer für mehr Wahrhaftigkeit sprechen Sie einem großen Teil der Bevölkerung aus der Seele. Das gerade veröffentlichte Edelman Trust Barometer 2014 zeigt, dass gerade einmal ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland glaubt, dass Manager die Wahrheit sagen, wenn sie mit einem komplexen oder unpopulären Thema konfrontiert werden. Und von Regierungsvertretern glauben das sogar nur 13 Prozent. Dabei macht die Öffentlichkeit unter anderem an dieser Eigenschaft fest, wem sie ihr Vertrauen schenkt und wem nicht.

Immerhin: Der Vertrauensindex der Erneuerbaren-Energie-Branche liegt in Deutschland bei knapp 60% und ist damit fast doppelt so hoch wie bei der Ölindustrie (33%). Und noch ein Ergebnis aus der Studie: Das Vertrauen in NGOs ist seit Jahren ungebrochen deutlich höher als in Wirtschaftsunternehmen oder auch in die Politik. Das bringt mich zu der Frage, wie Sie Ihre eigene Rolle bzw. die Rolle und die Verantwortung Ihrer Stiftung beschreiben würden?

Ich freue mich auf Ihre Antwort!

Herzliche Grüße zum Wochenende

Florian Junge

19.02.2014 17:33:45

Lieber Herr Junge,

vielen Dank für Ihre Frage nach der Verantwortung der 100 prozent erneuerbar stiftung – einer gemeinnützigen Organisation, die von den Gründern und Vorständen des Unternehmens juwi ins Leben gerufen wurde. Das Unternehmen juwi ist auch unser wichtigster Financier. Wir sind aus zweierlei Gesichtspunkten in einer besonderen Situation. Zum einen verstehen wir uns als advokatorischer Think Tank für eine dezentrale Energiewende. Wir sind in dieser Hinsicht nicht neutral und nicht abwägend, sondern dezidiert und eindeutig: Für uns hat Dezentralität so große Vorteile für die Gesellschaft, dass unsere Ausrichtung für Dezentralität einer normativen Entscheidung folgt. Sie ist insofern auch nicht verhandelbar. Für manche geht diese Eindeutigkeit zu weit. Wir respektieren diese Auffassung, meinen aber, unseren Standpunkt gut begründen zu können. Zweitens sind wir in dem gleichen Themenfeld unterwegs wie unser wichtigste Mittelgeber. Denn juwi verdient Geld damit, Erneuerbare Energie-Anlagen zu projektieren, zu bauen und zu betreiben. Es gibt deswegen Menschen, die uns vorwerfen, ein versteckter Lobbyarm von juwi zu sein.

Auch diese Kritik ist nachvollziehbar, aber auch sie trifft uns nicht. Warum ist das so?

Es gibt drei Aspekte, die ich erwähnen möchte.

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ – für viele sieht die logische Weiterführung dieses Spruches so aus: „Privatkapital ist gleich verdächtig, öffentliches Kapital ist gleich unbedenklich“. Für mich ist dies eine Gleichung, die noch nie in der Geschichte aufgegangen ist. Ich glaube daher grundsätzlich nicht, dass die Herkunft des Geldes, mit dem man wirtschaftet, entscheidend ist. Umgekehrt verstehe ich aber, dass es wichtig ist, die wirtschaftliche Abhängigkeiten und den Kontext des Handelns gerade einer gemeinnützigen Organisation zu kennen. Deswegen machen wir aus unseren Finanzen überhaupt kein Geheimnis.

Reicht das denn? Natürlich nicht. Es braucht mehr. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf Max Weber und seiner Unterscheidung der Gesinnungsethik von der Handlungsethik rekurrieren. Häufig wird bei der Bewertung von Organisationen vollkommen auf die Gesinnung abgestellt. Dann wird es in der Tat schwer zwischen juwi und der 100 prozent erneuerbar stiftung zu differenzieren: Denn beide Organisationen haben das gleiche Ziel im Sinn: Die Transformation des Energieoligopols von gestern zu einem Energiesystem, das vollkommen nachhaltig ist und die Teilhabe vieler ermöglicht. Es geht aber auch um die Folgen konkreter Handlungen. Und hier unterscheiden sich juwi und die Stiftung. juwi muss betriebswirtschaftlich denken und handeln. Schließlich geht es darum, Gewinn zu erzielen. Wir sind hingegen als Stiftung daran gebunden, dass unser Handeln, unsere Arbeit, unsere Projekte der Allgemeinheit zugutekommen.

Insgesamt sind es diese Ebenen, auf der sich unsere Verantwortung zeigt: Das richtige Ziel, ganz im Sinne der Gesinnungsethik, die Rahmenbedingungen unseres Handelns und die Resultate unserer Arbeit. Dass wir das richtige Ziel verfolgen, dafür würden wir jederzeit streiten. Die Rahmenbedingungen unseres Handelns versuchen wir so transparent wie möglich darzulegen. Letztlich zählen aber auch die Resultate unserer Arbeit. Und diesbezüglich muss jeder selbst entscheiden, ob wir unserer Verantwortung als gemeinnützige Organisation genügen oder nicht. Denn – und auch das gehört, so denke ich, zur Ehrlichkeit hinzu, Public Value ist nicht durch die Proklamation desjenigen gegeben, der für sich in Anspruch nimmt, ihn zu generieren. Die Einschätzung, ob Public Value vorliegt, ergibt sich in einem sozialen Prozess. Wir stellen uns diesem Prozess – selbstbewusst, aber auch mit der nötigen Demut.

Herzliche Grüße

René Mono

04.03.2014 22:11:41

Lieber Herr Mono,

vielen Dank für die offene Reflexion über die Rolle und Verantwortung Ihrer Stiftung. Sie sprechen einen sozialen Prozess an, in dem jeder selbst entscheiden muss, inwieweit die Handlungen einer Organisation oder eines Akteurs kongruent sind mit seinem proklamierten Anspruch – also letztendlich auch wieder, wie wahrhaftig jemand ist. Damit hätten wir ja einen Ansatzpunkt, wie man die Wahrhaftigkeit im Dialog als Grundvoraussetzung für das Gelingen der Energiewende fördern könnte.

Neben der Wahrhaftigkeit in der Diskussion um die Energiewende erschwert auch die Gemengelage unterschiedlicher Interessen die Entwicklung gemeinsam getragener Lösungen. Der Public-Value-Forscher Prof. Timo Meynhardt von der Uni St. Gallen beschreibt in einem Aufsatz, dass „normative Grundlagen zwischenmenschlichen Zusammenlebens stets aufs Neue ausgehandelt werden müssen“, und macht darauf aufmerksam, dass die Wahrnehmung von Verantwortung nicht einseitig eingefordert werden kann: „Wir leben heute mit einer gesellschaftlichen «Vollkasko-Mentalität», die Risiken weitestgehend ausblendet. […] Wenn die Wirtschaft sich der gesellschaftlichen Wertschöpfung verpflichtet, dann muss die Gesellschaft im Gegenzug ein ausgewogenes Risikobewusstsein entwickeln. Was eben auch bedeutet, Abwärtsentwicklungen mitzutragen.“

Wenn wir wieder an den Dialog zur Energiewende denken: Wie können wir es schaffen, die gesellschaftliche Verantwortung aller Beteiligten zu organisieren? Wie kann man die relevanten Akteure an einen Tisch bekommen und wer gehört alles an diesen Tisch?

Ich bin gespannt auf Ihre Gedanken und Ansätze.

Herzliche Grüße
Florian Junge

08.03.2014 16:56:39

Lieber Herr Junge, der Dialog mit Ihnen macht ja wirklich Spaß! Vielen Dank dafür!

Allerdings würde ich gerne einen Punk richtig stellen.

Ich wollte nicht sagen, dass die Frage, ob der Anspruch einer Organisationen (z.B. der, Gemeinnutz oder Public Value zu schaffen) erfüllt wird oder nicht, dem Urteil einzelner überlassen bleiben soll.

Vielmehr meine ich, dass sich dieses Urteil in einem sozialen Prozess herausbilden soll.

(Diese Idee stammt tatsächlich von Timo Meynhardt; an anderen Stellen, z.B. dem von Ihnen angeführten Zitat, würde ich ihm hingegen nicht folgen).

Dieser sozialer Prozess wird aus meiner Perspektive tatsächlich von den Meinungen, Positionen, Einschätzungen etc. Einzelner gespeist. Aber dies ist nur der Input, der soziale Prozess selbst sollte im Mittelpunkt stehen.

Und nun sind wir direkt bei Ihrer Frage. Denn auch bei Entscheidungen, die mit der Energiewende verbunden sind, geht es um einen sozialen Prozess, zu dem einzelne Akteure ihren Input leisten sollen.

Warum funktioniert dies nicht richtig? Meines Erachtens liegt das daran, dass zu viele Akteure geistig noch im korporatistischen Politiksystem der alten BRD gefangen sind.

Die Idee hinter dem Korporatismus ist ja, dass die Politik wenige Verbände o.ä. einbinden müsse, die sich jeweils am großen Ganzen, am Wohl des Volkes orientieren sollten. Und so komme man dann zu der besten Lösung für die Allgemeinheit.

Nachdem Bundeskanzler Schröder letztlich erfolglos versucht hat, den Korporatismus zu modernisieren, muss man heute sagen: "Der Korporatismus ist tot." Ihn beerbt der Pluralismus. Dies ist natürlich im Kern eine liberale Idee. Denn möglichst viele Akteure sollen sich am politischen Diskurs beteiligen können, und das wichtigste Kriterium ist, dass der Zugang zum politischen Meinungsmarkt uneingeschränkt offen ist. Damit haben wir schon eine Antwort auf Ihre weiteren Fragen: Alle Akteure, die etwas zur Energiewende zu sagen haben, sollten an dem Tisch sitzen. Keine hat das Recht, Akteuren, die mitreden wollen, am Sprechen, am Mitwirken zu hindern. Und wir haben Gott sei Dank längst die Techniken und Methoden, um das zu organisieren.

Was bedeutet dieser Anspruch aber für die Verantwortung der Akteure?

Sie müssten sich nicht mehr notwendigerweise am Gemeininteresse orientieren, sondern ihr Beitrag sollte gerade darin bestehen, ihre subjektive Sicht in den Diskurs einzubringen. Mit anderen Worten, es sollte meines Erachtens gelten: "Es ist nicht nur okay, sondern geradezu erwünscht, egoistisch zu sein".

Die geringe Wahrhaftigkeit, die ich am Anfang unseres Dialog angeprangert habe, resultiert gerade daraus, dass sich die meisten Akteure genau dies nicht trauen. Stattdessen geben sie eine Ausrichtung ihres Handelns, ihrer Argumentation an einem abstrakten, undefinierten oder willkürlich festgesetzten Gemeinwohl vor, das sie schon aus innerorganisatorischen Gründen gar nicht zum Maßgabe ihrer Position machen können.

Natürlich ist der plurale Egoismus alleine nicht ausreichend, damit am Ende eine sinnvolle Entscheidung für die Allgemeinheit steht. Erneut ist meines Erachtens der soziale Prozess entscheidend. Ich glaube fest an die Kraft und die Bedeutung des deliberativen Dikurses. Damit dieser aber funktioniert, brauchen wir nunmal die Wahrhaftigkeit der Diskursteilnehmer und die Bereitschaft, den zwanglosen Zwang des besseren Arguments anzuerkennen. Aus diesem sozialen Prozess, so stelle ich es mir vor, resultieren dann die gesellschaftlichen Präferenzen auch für schwierige Entscheidungen und Fragen wie die, die mit der Energiewende verbunden sind. So stelle ich mir eine Moderne, auf Habermas zurückgehende Konstruktion der volonté générale vor. Die Politik scheint mir mittlerweile, allen Rückfällen in den Korporatismus zum Trotz, dafür bereit zu sein. Nur die gesellschaftlichen Akteure müssen ihre neue Rolle noch erlernen. Die erste Lektion klingt leicht, ist aber in der Umsetzung gar nicht so einfach: „Zugeben, dass man egoistisch ist."

Herzliche Grüße
René Mono

Adressat/in der Frage

René Mono

100 prozent erneuerbar stiftung
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