Verfasser/in der Frage

06.03.2017 11:58:52

Lieber Herr Bochert,
haben Sie besten Dank, dass Sie sich für einen gemeinsamen Dialog auf unserem Portal entschieden haben!

Gerne würde ich mit einer grundsätzlichen und zugleich übergreifenden Frage nach Ihrer Sicht / Einschätzung starten: Wie sehen bzw. erleben Sie die Wahrnehmung von Führungskräften und Unternehmen in der Gesellschaft (via Medien oder auch aus dem persönlichen Gespräch / Erfahrungsraum im Privaten, etc.? Vertrauensverlust als einseitiges, mediales Zerrbild oder faktische Realität?

Ich bin gespannt.

Viele Grüße,
Clemens Brandstetter

09.03.2017 11:05:08

Lieber Herr Brandstetter,
gibt es wirklich einen grundsätzlichen Vertrauensverlust gegenüber der Wirtschaft? Keine Angst, ich beantworte Ihre Frage nicht simpel mit einer Gegenfrage. Ich sehe nur eine Vielzahl an Faktoren, die ein solches Zerrbild hervorrufen. Daher kann ich die Frage nicht in ein oder zwei Sätzen beantworten.

Natürlich gibt es Fehlverhalten bei Führungskräften – meist aus einer kurzfristigen Erfolgs-Perspektive heraus und in der Regel mit fatalen Folgen für das Unternehmen. Darüber zu berichten, sie durchaus auch an den Pranger zu stellen, ist legitim. Aber: am Ende des Tages werden diese Fälle hochstilisiert und der von einigen Medien durchaus bewusste Anschein erweckt, ganze Branchen und alle Manager agieren verwerflich. Dabei agiert die überwältigende Mehrheit der Manager mehr als korrekt. Sie setzen sich für ihr Unternehmen und die Mitarbeiter/innen ein, haben idR keine geregelten oder auch nur annährend normale Arbeitszeiten und tragen am Ende – auch juristisch – die Verantwortung. Sie sorgen sich um die Zukunft und den Fortbestand und versuchen, ihren Mitarbeitern/innen eine Richtung zu geben und ein Vorbild zu sein. Viele von Ihnen (der Mittelstand) suchen dabei nicht die große Bühne, sondern machen einfach.

Diese Gemengelage trifft auf ein deutlich verändertes Informationsverhalten der Menschen. Multimediale Kanäle bieten algorithmengesteuert genau die Portion an Information, die Menschen interessiert und erschwert damit eine breite und objektive Informationssammlung. Nicht mehr allein junge Menschen abonnieren keine Tageszeitungen mehr, sie schauen sich nicht mehr zwei verschiedene Nachrichtenformate im TV an, sie schalten bei den Nachrichten im Radio weiter – wenn sie überhaupt Radio hören und nicht per Smart Device und Streamingkanälen nur Musik hören. Dort fällt skandalorientierte oder gar tendenziöse Berichterstattung – die sich by the way auch besser vermarkten lässt – auf fruchtbaren Boden, wird empört geliked, retweeted, geshared. Und schon ist man bei der Verallgemeinerung.

Ein weiterer, fast schon traditionell-deutscher Faktor ist das Thema Neid. In keinem anderen Land freut man sich weniger über den Erfolg anderer, in keinem anderen Land wird mehr über finanziellen Erfolg gemunkelt und spekuliert oder hat man mehr Angst davor, dass einem mit dem Erfolg anderer etwas weggenommen wird. Man vergisst dabei, dass es sich in den meisten Fällen um Unternehmen handelt, die Eigentümern gehören. Privatpersonen, Familien, Aktionären. Und diese haben das Recht, darüber zu entscheiden, welche Führungskräfte sie anstellen und wie sie diese nach entsprechenden Kriterien entlohnen.
Natürlich fühlt es sich ungerecht an, wenn Top-Manager 7stellige Beträge erhalten und man selber muss mit einem 5stelligen Betrag auskommen. Aber man blendet die Faktoren aus, die dazu führen. Neben den zuvor genannten Punkten hinsichtlich der Verantwortung von Managern trägt auch jeder selber ein großes Stück zu seinem eigenen Werdegang bei. Jeder hat per se die Chance, alles zu erreichen. Ob er sie nutzt oder nicht, liegt idR nicht an anderen, sondern an einem selbst.

Fazit: Zerrbild, begünstigt durch das Informationsverhalten und die Veränderungen in der Medienlandschaft, welches zudem leider wohlwollend aufgenommen wird….

Herzlichen Gruß
Dietmar Bochert

16.03.2017 09:26:35

Vielen Dank, Herr Bochert, für Ihre ausführliche Darstellung und die Erläuterung der unterschiedlichen Aspekte.

Nach dem Blick nach außen würde ich gerne mit einem Blick nach innen auf Haniel fortfahren.

… ggf. auch etwas provokativ, was Sie mir bitte verzeihen mögen, was aber – so hoffe ich – der Klarheit des Dialogs hilft …

Wie sehen Sie bei Haniel die Verantwortung für gesellschaftliche Themen verankert bzw. das Zusammenspiel innerhalb Ihres Unternehmens? … Die CSR Abteilung als „soziales Gewissen“, die Kommunikation agiert im Sinne „tue Gutes und spreche darüber“ und die Linienmanager kümmern sich um die Performance des Tagesgeschäftes / Erreicherung der Zielvorgaben?

Müssten nicht gerade auch die Linienmanager vor dem Hintergrund Ihrer vorangegangenen Erläuterungen selber auch „mehr Gesicht“ zeigen / Position beziehen, als „den schwarzen Schafen“ und medialen Polarisierung das Feld zu überlassen?

Adressat/in der Frage

Dietmar Bochert

Franz Haniel & Cie. GmbH
Direktor Kommunikation

managerfragen.org

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