„Das Zeigen von Schwäche ist noch immer ein Tabu“

Manager, so scheint es manchmal, sind Wesen, die ohne Schlaf auskommen. Die vor dem Frühstück schon joggen gewesen sind und alle Mails bearbeitet haben, die bis tief in die Nacht an Profitstrategien arbeiten, die an drei Orten gleichzeitig Meetings besuchen können und trotzdem immer top-informiert sind, was in und um das Unternehmen geschieht. Dass ein solcher Lebensstil auf Dauer unmöglich ist, liegt eigentlich auf der Hand. Und trotzdem versuchen viele Führungskräfte, diesem Ideal des immer gesunden, immer wachen, immer ansprechbaren Top-Managers nachzueifern.

Aber das fordert seinen Preis, wie die vergangenen Monate bewiesen: Harald Krüger, frisch gebackener BMW-Chef, brach im September während einer Rede auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt vor versammeltem Publikum zusammen. Ein Kreislaufkollaps soll es gewesen sein, und es wird versichert, dass es ihm inzwischen wieder gut ginge. Aber gerade diese Beschwichtigung hebt ein Merkmal der Führungsschicht hervor: Wie wichtig es ist, in dieser Branche keine Schwäche zu zeigen – weder vor den eigenen Mitarbeitern, noch vor den Aktionären, noch vor der Öffentlichkeit.

So verlor der SAP-Chef Bill McDermott bei einem Unfall im Sommer sein linkes Auge, gab dies allerdings erst zweieinhalb Monate später bekannt, als er wieder voll genesen und einsatzfähig war. Eine PR-Strategie, um ja nicht den Aktienkurs des Unternehmens zu gefährden.

Aber ist das die richtige Strategie? Wie sprachen mit Niels Gundermann, dem Geschäftsführer der Fürstenberg-Institut GmbH, die unter anderem Manager in Gesundheitsfragen berät. Seine These: Manager dürfen und sollten Schwäche zeigen. Und es braucht dringend einen Wandel in den Unternehmen, damit Führungskräfte wie Angestellte besser auf ihre Gesundheit achten.

 

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Niels Gundermann und Walter Zornek

 

Lieber Herr Gundermann, Sie sind Geschäftsführer eines führenden Dienstleisters für psycho-soziale Gesundheit in Unternehmen. Manager, die pillensüchtig, übergewichtig sind, zu wenig schlafen und die irgendwann einfach umkippen oder Suizid begehen, ist das der Alltag für Berater im Fürstenberg Institut?

Im Gegensatz zu den medial sicherlich spannenden Einzelfällen zeigt sich der Alltag der Führungskräfteberater deutlich differenzierter. Neben den von Ihnen genannten Phänomen, die in den letzten Jahren auch aufgrund einer veränderten öffentlichen Wahrnehmung zugenommen haben zeigt sich in der Beratung, dass Führungskräfte ähnliche Probleme, wie ihre Mitarbeiter haben. Sie stehen unter erheblichem Leistungsdruck, ignorieren ihre persönlichen Ressourcen und geraten so häufig in persönliche Belastungssituationen. Der Alltag in der Beratung besteht darin, den Führungskräften beim Erkennen der eigenen Grenzen und bei der Suche nach Lösungen zu unterstützen. Veränderte Leitbilder und Unternehmenskulturen, aber auch der gestiegene Handlungsdruck in den Unternehmen haben dazu geführt, dass sich aktuell mehr Führungskräfte und dies früher in einer anonymen Beratung Hilfe holen.

 

Wie hängen denn die sonst eher getrennten Themen Kommunikation, Führung und Gesundheit zusammen? Spielen Top-Führungskräfte für die Gesundheit der Unternehmensmitarbeiter eine Rolle, ist nicht jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich?

Top-Führungskräfte sind Menschen, an denen sich Mitarbeiter orientieren. Ob in der Kommunikation, im Verhalten, in Ihrem Umgang mit sich und Anderen. Sie sind Vorbilder. Und deshalb tun sie gut daran, sich Ihrer Rolle bewusst zu sein und mit Ihrem Verhalten positive Maßstäbe durch „vorleben“ zu setzen. Aus meiner Sicht tun gerade Top-Führungskräfte dies heute oft mit Blick auf Willen, Leistungsbereitschaft und Ehrgeiz. Das Zeigen von Schwäche, ob gesundheitlich bedingt oder nicht ist immer noch ein Tabu. Gerade hier können vom Top-Management Zeichen gesetzt werden. Wenn sich die oberste Führungsebene dem Thema Achtsamkeit ehrlich widmet und dies vorlebt, dann werden das die weiteren Führungskräfte ebenfalls leben. Der Einfluss der Top-Entscheider Ebene ist gerade kulturell immens. Dies sollten die Unternehmen nutzen.

 

Unternehmen und Mitarbeiter sind ja auch in ihr gesellschaftliches Umfeld eingebettet. Ist die offensichtliche Zunahme an psycho-sozialen Erkrankungen mehr ein Problem der Unternehmen oder mehr der gesellschaftlichen Umstände? Was wären gute Lösungsansätze?

Zunächst einmal gibt es keinen wissenschaftlich fundierten Nachweis einer generellen starken Zunahme psychischer Erkrankungen. Ein solcher Anstieg betrifft lediglich einzelne Krankheitsbilder. Wir können davon ausgehen, dass der allgemeine Anstieg in großen Teilen auf bessere Diagnosemöglichkeiten sowie eine größere Akzeptanz für psychische Erkrankungen zurück zu führen ist. Sowohl die unternehmerischen als auch die gesellschaftlichen Folgekosten psychischer Erkrankungen sind dennoch in den letzten Jahren stark angestiegen. Insofern ist nicht zu fragen, wo der Schwerpunkt des Problems zu verorten ist, sondern wie es gelöst werden kann. Hier versucht die Politik über ein Präventionsgesetz den Rahmen zu schaffen, den die Unternehmen mit Betrieblicher Gesundheitsförderung und Betrieblichem Gesundheitsmanagement im eigenen Interesse nutzen.

 

Was möchten Sie Führungskräften und CEOs zum Thema Führung und Gesundheit mitgeben, was sind die drei wichtigsten Punkte aus Ihrer Sicht?

Für mich ist besonders wichtig: Zufriedene, motivierte und gesunde Mitarbeiter sorgen für leistungsfähige Unternehmen.

Insofern brauchen wir:

  1. Als Basis eine Unternehmenskultur, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit fördert. Dies sollte nicht nur anhand eines Leitbildes niedergeschrieben sein, sondern im Alltag gelebt werden. Gesundheitsförderliche Unternehmenskulturen zeichnen sich durch eine hohe Kongruenz niedergeschriebener und gelebter Werte aus. Ein Beispielelement gesundheitsförderlicher Kulturen ist eine ausgeprägte Achtsamkeit von Führungskräften und Mitarbeitern für sich und Andere.
  1. Organisationsstrukturen, die dieser Kultur entsprechend den organisationalen Rahmen bilden, in der Mitarbeiter und Führungskräfte langfristig gesund bleiben und und damit Ihre maximale Leistungsfähig erhalten bzw. erlangen. Ein Element gesundheitsförderlicher Organisationsstrukturen kann beispielsweise ein unternehmens- und mitarbeiteradäquater Zuschnitt von Arbeitszeiten und –orten sein.
  1. Individuelle Maßnahmen, die die Eigenverantwortung jedes Einzelnen für seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit stärken. Hierzu zählen viele Maßnahmen der Gesundheitsförderung, aber auch die Unterstützung von Führungskräften und Mitarbeiter im Erlernen gesundheitsorientierten Verhaltens. Hier kann als Beispiel die Stärkung der Stressresilienz, aber auch physiologische Trainingsmaßnahmen zählen.

 

Herr Gundermann, vielen Dank für das Interview.

 

 

 

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