Unternehmen haben schon immer Verantwortung übernommen, sie dienen damit einem gesellschaftlichen Zweck. Eine Rolle, die zunehmend in Vergessenheit gerät, aber neue Möglichkeiten bietet die wahrnehmbare Entfremdung von Wirtschaft und Gesellschaft zu verhindern. In Zeiten der Vernetzung und neuer Orientierung gilt umso mehr: Märkte der Zukunft gestaltet nur mit, wer eine Vorstellung von Gesellschaft entwickelt.

Ein Gastbeitrag von Nicolas Lembeck

Das Ideal schöpferischer Zerstörung nach Schumpeter, aus dem Wettbewerb Kreativität und Innovationsgeist zu entwickeln, hat den Wohlstand von Gesellschaften wie nie in der Geschichte gemehrt.

Potentiale zu entdecken, sie auszuschöpfen und Freiheit in etwas Produktives und Nachhaltiges umzusetzen, sind der Unterbau jeder sozialen Ordnung. Diese soziale Ordnung hat durch die Wirtschafts- und Finanzkrise an Vertrauen eingebüßt. Zurecht.

Eine perverse Entkopplung von Marktakteuren von gesellschaftlichen Realitäten, eine kleine Gruppe von Menschen, die auf Kosten der Allgemeinheit nur auf Leerkäufe, nicht auf reale Werte, spekulieren – das sind Auswüchse eines entfesselten Kapitalismus, die der europäischen Idee einer sozialen Marktwirtschaft nicht gerecht werden.

Auf einem Kontinent, auf dem der Balanceakt zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialem Ausgleich, sich weltweit am meisten sehen lassen kann. Denn Entfesselung brauchen nicht die, die sich jeder staatlichen Kontrolle entziehen können, entfesselt werden muss der Reichtum an Ideen in einem funktionierenden Wettbewerb, der das Streben nach Erfolg zu einem persönlichen und gesellschaftlichen Erfolg macht.

Politik hat dafür die Verantwortung inklusive Rahmenbedingungen zu setzen, die ein Maximum an Freiheit für alle ermöglichen. Je weniger jedoch demokratische Parlamente und Ministerien in der Lage dazu sind, desto entscheidender ist der wirtschaftsethische Kompass der Unternehmen selbst. Nicht als intellektuelle Kategorie, sondern um Politik zu pushen und Gesellschaft positiv zu verändern.

Unternehmen können so die Gesellschaft herausfordern, neue Impulse verleihen und damit auch andere inspirieren. Denn das Potential einer Gesellschaft bemisst sich nicht an seinen größten Kritikern oder daran unterwürfige Systemfragen zu stellen, sondern an denen, die Freiheit konkret in Ideen umsetzen wollen.

Deshalb müssen die in den Fokus, die Veränderung gestalten, wir als Gesellschaft lernen wieder groß zu denken, Leitlinien zu formulieren und Orientierung aktiv zu finden. Leitlinien setzt in Zeiten der Veränderung kein abgehobenes Verständnis von Profis, sondern die, die das Politische herausfordern und damit Ergebnisse erzielen.

 

Eine Idee von Gesellschaft

Wer die freiheitliche Gesellschaft als selbstverständlich begreift, hat aufgehört politisch zu sein. Keinen Anspruch mehr an Politik zu stellen, kann sich aber heute keiner mehr leisten. Wir müssen Wandel gestalten, ihn als natürlich begreifen und die Politisierung und Polarisierung der Gesellschaft in positive Energie für Veränderung umsetzen.

Wir müssen sicherstellen, dass die Gesellschaft für die Gesellschaft funktioniert. Individualität, Kreativität und freiheitliche Werte sind die besten Voraussetzungen dies auch zu schaffen. In Zeiten der Veränderung braucht es Orientierung, die es nur geben kann, wenn man seine Werte ausformuliert. Diese Werte leben Unternehmen heute schon vor.

Denn Unternehmen schauen heute nicht mehr nur auf die Quartalszahlen, sondern sind selbst politische Akteure und schauen danach wie sie Gesellschaft verändern können. Eine Idee von Gesellschaft, die in Zeiten des Wandels immer wieder aufs Neue definiert werden muss.

Unternehmen, die dies schon tun, sind nicht nur innovativer, sondern lösen auch gesellschaftliche Probleme, schaffen sich sozusagen ihr eigenes stabiles Umfeld. Sie bringen Innovation schneller zur Marktreife, bringen mehr Frauen als Unternehmer hervor und leben mehr Mitarbeiterbeteiligung als Selbstverständlichkeit vor. Sie schauen nicht nur darauf, welche Qualität Produkte haben, sondern auch auf die Lebensqualität der Menschen, die sie gemacht haben.

Unternehmen neu denken

Es geht darum, einen besseren Wettbewerb herauszufordern, daraus Persönlichkeiten zu entwickeln, die dem Wandel von Märkten gewachsen sind. Diesen Anspruch an Politik formulieren immer mehr Unternehmen selbst. Nicht nur vermeintlich politisch naive Start-Ups, sondern Verbände, NGOs und Unternehmen gleichermaßen.

Zuletzt haben 181 US-Topmanager die „Erklärung zum Zweck eines Unternehmens“ der Vereinigung Business Roundtable unterzeichnet. 34 internationale Unternehmen von Danone über BASF bis zu Goldman Sachs schließen zuletzt vor dem G7-Gipfel ein Bündnis „Business for inclusive Growth“ (B4IG). Gut so.

Gesicht zeigen gilt heute am Arbeitsplatz, wie im Netz, Sichtbarkeit mit Glaubwürdigkeit und Überzeugung zu verbinden und immer wieder die eigene Unternehmenskultur politisch zu hinterfragen. Dafür ist menschliche Kreativität die größte Ressource unserer Marktwirtschaft. Wenn Unternehmen sich vernetzen, neue Ideen einbringen, immer mit dem Anspruch unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern, kann das einen freiheitlicheren Zeitgeist bestimmen. Kreativität kann man dafür nicht aufbrauchen. Je mehr man sie nutzt, umso mehr hat man für alle erreicht.

Wir sollten dafür unser Bild von Unternehmen grundsätzlich überdenken. Ein Bild, das Unternehmen als Bessermacher wahrnimmt, unternehmerischen Gewinn als gesellschaftlichen Gewinn vom Konzern zum Start-Up begreift, als politische Akteure versteht und ihnen zutraut auch international Markenbotschafter für unsere Werte zu sein.

In Zeiten vernetzter Lebenswirklichkeiten, stärkeren Brüchen im Wandel und einer neuen Sehnsucht nach gesellschaftlichem Zusammenhalt ist das nicht selbstverständlich und für ewig garantiert. Natürliche Widerstände durch Marktmacht und Wohlstandsverteilung sollte niemanden aufhalten für einen besseren Wettbewerb zu werben.

So wie der Philosoph Artur Schopenhauer sinngemäß die Stufen gesellschaftlichen Fortschritts umschrieb: Zuerst wird er lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann bekämpft. Und am Ende ist es selbstverständlich. Eins ist aber sowieso sicher: Beizutragen, die Welt zu verändern macht nicht nur viel mehr Spaß, sondern wird in einer globalen Welt für Unternehmen immer mehr zur Notwendigkeit.

 

Nicolas Lembeck ist Politikberater in Berlin. Mit der Erfahrung aus drei Parlamenten, von der Landes-, über die Bundes- bis zur europäischen Ebene, bringt er sich über die Politik hinaus ein, mit der Vermittlung von Werten für Orientierung und Haltung in Zeiten digitaler Veränderung auf gesellschaftlichen Wandel vorzubereiten.

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