Verfasser/in der Frage

07.05.2013 07:37:30

Sehr geehrter Herr Kleinert,
ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich auf dieser Seite dem Dialog widmen. Zunächst in Form des MFO Interviews, aber auch als für Bürger online befragbarer Manager.
Dialog scheint ein großer Bereich Ihrer Arbeit zu sein. Ihr Unternehmen führte eine Konsumenten-Umfrage zur Einstellung gegenüber Nachhaltigkeit durch und bietet regelmäßig Dialogangebote für Stakeholder an.
Auch in anderen Branchen als der Getränkeindustrie besteht Gesprächsstoff, z.B. in der Textilwirtschaft. Asiatische Fabriken brennen aus oder stürzen ein, hunderte Menschen sterben, Arbeiterinnen demonstrieren für existenzsichernde Entlohnung und unabhängig zertifizierten Arbeitsschutz. Probleme werden auf Preiskämpfe und undurchschaubare Lieferketten geschoben. Der Eindruck entsteht: Letztlich weisen viele Fabrikbesitzer und Regierungsbeamte vor Ort und hiesige Unternehmenssprecher die Verantwortung den Verbrauchern zu und weichen aus.
Und wieder zurück: In einem Beitrag auf http://www.coca-cola-deutschland.de/meinungen/ machen Sie deutlich, „dass ein Unternehmen nicht für alles Verantwortung übernehmen und nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann.“
Als zukünftiger Berufseinsteiger frage ich: Wo endet denn genau diese Verantwortung einer Organisation, wo beginnt die Verantwortung des Individuums? Hängen Entscheidungen nicht immer an einzelnen Entscheidungsträgern, die dann entsprechend verantwortlich sind? Aus Ihrer Sicht, kann man überhaupt ganz grundsätzliche Grenzen der Verantwortung ziehen? Und wenn nicht, woran scheitert dieser Versuch?
Herzliche Grüße,
Fabian Schmid-Große

11.05.2013 00:53:06

Sehr geehrter Herr Schmid-Große,

Sie stellen eine gute Frage, die nicht kurz zu beantworten ist. Ich versuche es gleich an einem Beispiel, möchte aber zunächst noch auf Ihre Beispiele eingehen. Sie haben völlig Recht. Unternehmen müssen selbst Verantwortung übernehmen, zunächst für das, was in ihren eigenen Unternehmen geschieht, aber auch für das, was bei ihnen in der Lieferkette passiert. Das ist bei den direkten Lieferanten noch relativ einfach, da man hier beeinflussen und wählen kann. Schwieriger wird es bei den Lieferanten der zweiten und dritten Ebene. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen. Coca-Cola bezieht Zucker von Zuckerherstellern in Deutschland. Selbstverständlich haben wir klare Richtlinien, an die sich unsere Lieferanten halten müssen, auf deren Einhaltung wir sie kontrollieren können und kontrollieren. Die Zuckerwerke wiederum beziehen ihre Rohstoffe, die Zuckerrüben, von Bauern hier in Deutschland, diese wiederum brauchen Geräte für die Bewirtschaftung ihrer Felder. Hier können wir nicht mehr in der Tiefe Einfluss nehmen und kontrollieren wie bei unseren direkten Lieferanten, den Zuckerherstellern.

Wo hört nun die Verantwortung auf, wie ich es in meinem von Ihnen zitierten Beitrag geschrieben habe. Dort habe ich es auf ausgewogene Ernährung bezogen. Die Lebensmittelindustrie kann die unterschiedlichsten Lebensmittel mit unterschiedlichem Nährwert (bei uns etwa Erfrischungsgetränke mit und ohne Zucker) anbieten, kann über die Nährwerte, den Energie-, Fett- und Zuckergehalt und über die Inhaltsstoffe informieren. Aber was die Verbraucher kaufen und konsumieren, auch wie viel sie kaufen und essen oder trinken, entscheiden sie selbst. Diese Entscheidung kann ihnen auch keiner abnehmen, das ist schon faktisch nicht möglich.

Das bietet dennoch viel Handlungsraum für die Unternehmen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Etwa qualitativ hochwertige Lebensmittel herzustellen, ein fairer und guter Arbeitgeber zu sein, die natürlichen Ressourcen zu schützen, auf Nachhaltigkeit und Verantwortung in der Lieferkette zu achten. Wie wir das tun, kann jeder in unserem Nachhaltigkeitsbericht im Internet nachlesen. Aber letztendlich entscheiden die Verbraucher mit ihrer Wahl im Laden auch, welche Produkte zu welchem Preis sie kaufen. Wir müssen uns alle aus meiner Sicht stärker auf Werte fokussieren als auf "Geiz ist geil".

Sie sehen an meiner doch recht langen Antwort vielleicht, dass die Grenzen nicht ganz eindeutig sind. Wichtig ist aber eins: alle Herausforderungen, die wir in unserer Welt haben, betreffen uns alle – egal ob Unternehmen, Politik, NGO, Medien oder Verbraucher. Deswegen müssen wir alle auch Verantwortung für unser Handeln und die Auswirkungen unseres Handelns auf die Gesellschaft und auf zukünftige Generationen übernehmen. Das kann uns keiner abnehmen: Ob wir nun in der Wirtschaft arbeiten, als Politiker oder Interessenvertreter in einer Nichtregierungsorganisation oder als Journalist, der durch seine Art der Berichterstattung die öffentliche Meinung mitbestimmt. Und natürlich als Verbraucher, wenn wir uns unbewusst oder bewusst entscheiden, wie wir leben wollen, welche Produkte von welchen Unternehmen wir kaufen. Diese Verantwortung müssen wir alle jeder an seinem Platz wahr nehmen. Sie ist in der Tat immer individuell und es gibt an jedem Platz individuellen Gestaltungsspielraum. Eine grundsätzliche Grenze beginnt sicher da, wo wir es definitiv nicht mehr selbst in der Hand haben. Hier müssen dann diejenigen Verantwortung übernehmen, die es in der Hand haben.

Letztendlich kommt es darauf an, dass wir uns alle selbst an den Maßstäben messen, an denen wir andere messen. Wenn jeder einzelne das täte, würden wir in allen Bereichen ein gutes Stück voran kommen.

Viele Grüße, Uwe Kleinert

Adressat/in der Frage

Uwe Kleinert

Coca-Cola GmbH
Head of CSRLeiter Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit

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